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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
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Lohannons Retrozeitsphäre seinen Stoffwechsel durcheinander brachte. Während er auf einem Stück Steak kaute, das sich beharrlich weigerte, verdaut zu werden.
    »Wie Sie wünschen, Mr. Valentin«, sagte das Apartment kühl. »Aber Sie sollten daran denken, daß Haß ein irrationales Gefühl ist. Und im höchsten Maß sozialschädlich.«
    Valentin schnitt eine Grimasse. »Alle Gefühle sind irrational. Haß, Trauer, Liebe – vor allem die Liebe.«
    Das Apartment wechselte abrupt das Thema. »Glauben Sie, daß es zu einem Kontakt kommt? Mit den Außerirdischen? Deren Signale seit Wochen empfangen werden?«
    Valentin trat an den Kleiderschrank, schlüpfte in seinen UV-Schutzoverall und griff, nach einem prüfenden Blick zum bewölkten Himmel, nach den Handschuhen und der Pigmentmaske. Es sah nicht danach aus, als sollte sich der Himmel heute noch aufhellen, aber er wollte kein Risiko eingehen. Zwar arbeiteten auf allen Kontinenten die von der UNO errichteten Ionisierungsanlagen mit aller Kraft, aber es würde noch Jahrzehnte dauern, bis die im 20. Jahrhundert zerstörte Ozonschicht wieder ihre alte Stärke erreicht hatte.
    »In den Morgennachrichten«, fügte das Apartment hinzu, »wurde gemeldet, daß die Außerirdischen …«
    »Es gibt keine Außerirdischen«, unterbrach Valentin schroff. »Es ist alles nur ein Bluff des Wiedervereinigten Deutschlands. Um von Berlins euro-hegemonialen Plänen abzulenken. Ein verdammter Trick Karl von Huttens.« Er zog die atmungsaktive Pigmentmaske über den Kopf. »Ich gehe jede Wette ein, daß der Direktor des VEB Elektronik dahintersteckt.«
    »Aber der deutsche Staatsratsvorsitzende …«
    »… ist Huttens Kreatur. Seine Marionette. Er hat sie alle in der Hand – die anderen VEB-Direktoren, das ZK der nationalkommunistischen Partei, den europäischen Ministerrat, alle.«
    »Und die Signale?« fragte das Apartment verstört.
    »Stammen in Wirklichkeit von dem Irrläufersatelliten TV-Sat 1, der 1987 in die Umlaufbahn geschossen und dreißig Jahre später von einer Interstar-Testrakete der ESA in den interstellaren Raum transportiert wurde.« Der Gedanke gefiel ihm. Er war im höchsten Maß paranoid, aber vielleicht gefiel er ihm deswegen so gut. »Die Signale aus dem interstellaren Raum«, spekulierte er weiter, »sind Teil eines deutschen Langzeitplans zur Erringung der Weltherrschaft. Die Deutschen haben immer davon geträumt, die Welt zu beherrschen. Zweimal haben sie es mit kriegerischen Mitteln versucht und sind gescheitert. Inzwischen sind sie klüger geworden. Sie versuchen es mit List statt mit Gewalt – und sie werden Erfolg haben.«
    »Aber warum sollten sie so etwas tun?«
    »Weil sie nicht anders können. Der Traum von der Weltherrschaft ist Teil ihres Nationalcharakters. Vielleicht sogar genetisch bedingt … Ja« – er nickte – »die Deutschen sind Genetiker aus Tradition. Das Nazi-Projekt Lebensborn war das erste Gen-Großexperiment in der Geschichte der Menschheit. Natürlich war es von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil es mit unvollkommenen Mitteln durchgeführt wurde, aber sie haben es nie aufgegeben. Warte nur ab, bis die Prager Konferenz beendet ist und die west- und osteuropäischen Wirtschaftsblöcke einen gemeinsamen Binnenmarkt unter gesamtdeutscher Hegemonie bilden. Nach der Prager Konferenz werden sich die Signale aus dem interstellaren Raum verändern.«
    »Verändern?« wiederholte das Apartment. Es klang verwirrt.
    »Die angeblichen Außerirdischen werden genetische Baupläne senden. Unter dem Vorwand, direkten Kontakt mit der Menschheit aufnehmen zu wollen, werden sie uns die detaillierten DNS-Daten ihrer Spezies übermitteln, und unsere Biotechniker werden in ihren Gen-Labors einen Retortenalien züchten. Und dieser Retortenalien« – Valentin machte eine dramatische Pause – »wird genetisch ein Deutscher sein. Ein reinrassiger Arier mit blauen Augen, blonden Haaren und Weltmachtträumen.«
    Das Apartment schwieg betroffen.
    »Sie hassen die Deutschen, Mr. Valentin, nicht wahr?«
    Valentin sagte nichts. Methodisch zerkaute er das retrozeitliche Stück Steak und schluckte es hinunter.
    »Sie hassen die Deutschen«, bekräftigte das Apartment, »weil Ihre Frau eine Deutsche ist. Sie übertragen den Haß auf Ihre Frau auf das Wiedervereinigte Deutschland.«
    Valentin schüttelte den Kopf. »Du irrst dich.«
    »Ihr Deutschlandbild«, fuhr das Apartment triumphierend fort, »hinkt hundert Jahre hinter der Wirklichkeit her. Das

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