Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
Vom Netzwerk:
zum richtigen Zeitpunkt. Nach dem Großen Beben, als Amerika jahrelang nur mit sich und seinen Wunden beschäftigt war … Valentin lächelte ironisch. Nicht, daß die Neutralität des Wiedervereinigten Deutschlands den Sowjets etwas genutzt hätte. Sicher, die Amerikaner waren aus Mitteleuropa vertrieben worden, und die Russen hatten mit Hilfe der deutschen Industriellen, Wissenschaftler und Ingenieure die ungeheuren Ressourcen Sibiriens erschließen können – aber dafür war das ZK der KPdSU heute eine Dependance des deutschen Staatsrats. Oder genauer: der politische Erfüllungsgehilfe der VEB-Trusts, eine Marionette, an deren Fäden Karl von Hutten zog.
    Heil Hutten! dachte Valentin. Oder hieß es: Heilt Hutten?
    »Mr. Valentin!« rief eine schrille Stimme. »Bitte, Mr. Valentin, warten Sie!«
    Valentin blieb widerwillig stehen und drehte sich um. Nichts. Das Landedach war menschenleer. Aber dann entdeckte er das metallisch schimmernde, kaum apfelgroße Flugobjekt, das wie ein Raubvogel vom Himmel stieß und Sekunden später vor seinem Gesicht in der Luft verharrte. Im ersten Moment hielt er den Mikrobot für eine Nachrichtenmaschine, einen jener homöostatischen Reporter, die NBC zu Dutzenden auf ihn angesetzt hatte, seit durchgesickert war, daß Hiram P. Astor, der Hauptaktionär der American Space Industries, in der Sterbesuite des Instituts für Reinkarnautik weilte. Aber die nächsten Worte des Mikrobots belehrten ihn eines besseren, und er spürte, wie sich in seinem Magen ein kalter, harter Klumpen bildete.
    »Ich«, erklärte die Maschine, während sie betriebsam summte und klickte, »bin Robadvokat Nummer 44 der Anwaltskanzlei Schuyler, Schuyler & Schuyler und mit der Wahrnehmung der Interessen von Mrs. Christina Valentin geborene Werther betraut. Spreche ich mit Mr. Valentin?«
    »Ja«, sagte er heiser. »Ich bin Valentin.«
    Der Robadvokat klickte befriedigt, nachdem er Valentins Stimmuster analysiert hatte. »Mr. Valentin«, fuhr er mit seiner schrillen, aufdringlichen Stimme fort, »ich bin beauftragt, Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß Mrs. Valentin vor dem Zivilgericht von Los Angeles die Scheidungsklage eingereicht hat. Die Kanzlei Schuyler, Schuyler & Schuyler ersucht Sie, binnen vierundzwanzig Stunden einen Rechtsvertreter zu benennen, um die Einzelheiten …«
    »Wende dich an Mr. Schomon«, unterbrach Valentin. »Er ist der Justitiar des Instituts für Reinkarnautik. Mr. Schomon wird mich vor Gericht vertreten.«
    Scheidung, dachte er. Nun, es war zu erwarten. Aber so schnell? Offenbar wollte Christina keine Zeit verlieren. Es paßt zu ihr, dachte er bitter. Nägel mit Köpfen machen, wie die Deutschen sagten.
    Der Robadvokat rührte sich nicht von der Stelle. Das Klicken hinter seiner glatten, ausdruckslosen Stahlhülle wurde lauter. Es klang nervös.
    »Mr. Valentin«, schrillte die Maschine, »ich muß Sie darüber informieren, daß Mrs. Valentin Sie außerdem auf Schmerzensgeld verklagen wird.«
    Valentin konnte den Robadvokaten nur anstarren. Schmerzensgeld? Es war grotesk. Wofür? Dafür, daß ihm Christina das Herz gebrochen hatte?
    »Die Anklage«, fuhr die Maschine klickend fort, »lautet auf seelische Grausamkeit und Erzwingung perverser Handlungen. Eine entsprechende Zeugenaussage des Autonomen Homöostatischen Apartments L.A. 33-5421-71 liegt vor. Der Streitwert der Klage beträgt zehn Millionen Neue Dollar.« Die Maschine summte zufrieden und fügte hinzu: »Mrs. Valentin ist selbstverständlich zu einer gütlichen, außergerichtlichen Einigung bereit, sofern Sie sich einverstanden erklären, binnen achtundvierzig Stunden die Hälfte des Streitwerts auf ein noch zu benennendes Schweizer Nummernkonto zu überweisen.«
    Valentin hatte das Gefühl, in einen Alptraum geraten zu sein. Seelische Grausamkeit? Perverse Handlungen? Und sein Apartment – sein ehemaliges Apartment – trat als Zeuge auf?
    »Nun, Mr. Valentin?« schrillte der Robadvokat.
    »Es ist ein Scherz, nicht wahr?« sagte Valentin. »Es muß ein Scherz sein. Oder Christina hat den Verstand verloren.«
    »Eine Beleidigung meiner Mandantin …«
    Valentin schlug nach der Maschine, aber sie schoß sofort in die Höhe und umkreiste ihn in sicherer Entfernung. Ihr geschäftiges Klicken klang jetzt empört.
    »Ein eklatanter Fall versuchter Sachbeschädigung«, zeterte sie. »Mißachtung der Immunität einer juristischen Person! Das kann Sie …«
    »Halt’s Maul!« unterbrach Valentin grob. »Ich denke nicht daran,

Weitere Kostenlose Bücher