Willkommen in der Wirklichkeit
Reinheit durch unsere Anwesenheit befleckt wird. Normalerweise gelingt es uns, sie abzuschirmen.«
Pankopf atmete tief ein. »Was nun? Soll ich einfach unter den Käfern leben?« Er stellte fest, daß diese Vorstellung ihm keine Schwierigkeiten mehr bereitete. Er mußte geheilt sein.
»Das auch«, sagte Phil. »Aber ich brauche deine Hilfe, wenn du sie mir geben willst. Wir haben einen verzweifelten Bedarf an Führern, und es liegen noch jede Menge von uns auf den Therapiecouchen. Dorff zum Beispiel. Er macht ganz nette Fortschritte, doch er braucht noch immer Hilfe.« Dann lächelte er und deutete auf ein frisch bezogenes Krankenhausbett. Pankopf setzte sich darauf nieder. Er fühlte sich körperlich erschöpft. »Aber das müssen wir ja nicht sofort entscheiden. Im Augenblick möchte ich nur, daß du dich ausruhst. Wir können später über die Zukunft sprechen.« Er blinzelte ihm aufmunternd zu und schlenderte davon.
Pankopf wollte sich gerade niederlegen, als er die kleine weiße Karte auf dem Kissen bemerkte. Darauf befand sich ein Aufdruck: Glaube ihnen nicht, Sandy. Sie blenden dich nur mit ihrer Wissenschaft. Setz deine Suche nach der Wahrheit fort. Die Nachricht war mit Philip K. unterzeichnet.
Mein Gott, dachte Pankopf. Es hört niemals auf.
Eine Metallhand griff über seine Schulter und nahm ihm die Karte ab. Er wirbelte herum und sah sprachlos, wie ein Roboter den Gang entlangschritt. Er trug einen ausgebeulten alten Burberry und einen Schlapphut mit tief herabgezogener Krempe. An den verchromten Knöcheln waren schlampig zugeschnürte Adidas-Schuhe.
Kurz, bevor er um eine Ecke verschwand, tippte er mit den Fingerspitzen gegen den Hut, um eine riesige Käfer-Krankenschwester zu begrüßen. Das Insekt grüßte zurück.
Rrrr-Summ-Klick.
»Das war erst der Anfang.«
Philip K. Dick, Ubik
Originaltitel: ›The Transmigration of Philip K.‹
Copyright © 1985 by Mercury Press
(erstmals erschienen in ›The Magazine of Fantasy & Science Fiction‹, Juni 1985)
Copyright © 1990 der deutschen Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag, München
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Uwe Anton
Thomas Ziegler
Eine Kleinigkeit für uns Reinkarnauten
I think we should put some mountains here.
Otherwise, what are the characters going to
fall off of? And what about stairs?
Hey Professor! Could you turn out the lights?
Laurie Anderson
BIG SCIENCE
1
Als er erwachte, dachte Valentin an Mord – wie an jedem Morgen, wenn er vom Geschmack des Abendessens geweckt wurde und an den unverdauten, hartnäckig seine Speiseröhre hinaufwandernden Bissen fast erstickte; ein untrügliches Zeichen dafür, daß der ehrenwerte, aber zeitverkehrte Lu Lohannon in der Nähe war und seine Umgebung dem gespenstischen Einfluß der Retrozeit aussetzte.
Natürlich war Mord keine Lösung.
Schon aus ethischen Gründen. Von den praktischen Schwierigkeiten ganz zu schweigen. Außerdem war Lohannon für seinen Zustand nicht verantwortlich. Wenn es einen Schuldigen gab, dann Benjamin Bernstein, den Leiter des Instituts für Reinkarnautik, in dem Lohannon als Hausmeister arbeitete.
Deprimiert kaute Valentin an dem Steak, das er am Abend zuvor – vor einer Ewigkeit – im letzten von Menschenhand geführten Restaurant von Los Angeles verzehrt hatte. Und das nun, unter dem Einfluß von Lu Lohannons privater Zeitsphäre, aus dem Verdauungstrakt zurückkehrte.
Es ist hoffnungslos, dachte Valentin kauend. Es ist mehr als hoffnungslos, es ist physikalisch unmöglich. Wie kann man einen Mann töten, der sich auf dem Weg in seine persönliche Vergangenheit befindet, dessen Leben sich wie ein rückwärts laufender Film wiederholt, dem nur noch das zustoßen kann, was ihm bereits in der Vergangenheit – seiner Zukunft – zugestoßen ist?
Valentin kaute und schluckte, obwohl er wußte, daß es sinnlos war. Solange sich Lohannon in der Nähe befand, würde der Bissen immer und immer wieder seine alte Form annehmen, die Speiseröhre hinaufwandern, neu zerkaut und neu geschluckt werden und wieder die Speiseröhre hinaufwandern … und Valentin konnte froh sein, daß sich der Retrozeit-Effekt nicht stärker bemerkbar machte.
Aber dann dachte er an Christina, und der Schmerz schnürte ihm die Brust zusammen, und er wünschte plötzlich, an Lohannons Stelle zu sein. Weil der Weg in die Vergangenheit der einzige Weg zu Christina war. Zum Tag der Trennung; zu den Wochen und Monaten, in denen sie sich gestritten und
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