Willkommen in der Wirklichkeit
Mond in einen Hinterhalt. Die Überlebenden verfrachten die Toten, darunter ihren Chef Runciter, im Kältepack zur Erde zurück, wo sie in einem Schweizer ›Halb-Leben‹-Institut konserviert werden und noch in einen zeitlich befristeten Kontakt mit der Außen- bzw, ihrer Nachwelt treten können. Der heil davongekommene Joe Chip empfängt jedoch unvermittelt Botschaften von Runciter, ominöse Warnungen auf Badezimmerspiegeln und Streichholzschachteln. Langsam verwandelt sich seine Welt des Jahres 1992 in die von 1939 zurück. Und während die Überlebenden dahinsiechen und sterben und Joe allmählich alle Kraft verliert, macht er sich daran, das Geheimnis von UBIK zu lösen. Doch dann sucht der vermeintlich tote Runciter das ›Halb-Leben‹-Institut auf und sieht plötzlich Joe Chips Kopf auf seinen Münzen und Geldscheinen. Und das ist nur der Anfang …
Wer ist tot, wer lebt, wer liegt im Halb-Leben? Obwohl Dicks Charaktere allen Grund dazu hätten, verzweifeln sie nicht an ihrem surrealen Dasein, sondern versuchen, den Hintergrund ihrer Existenz zu ergründen. Das Halb-Leben wird zu unser aller Leben, Dicks Fragen nach der endgültigen Natur der Wirklichkeit zur philosophischen Schlüsselfrage über die menschliche Existenz überhaupt.
1982 schrieb ich in einem Nachruf für die Science Fiction Times, daß Philip K. Dick in mehr als nur einer Hinsicht seinem Lebenswerk entsprechend starb. Nach einem eigentlich kaum lebensbedrohenden Schlaganfall hatte man Philip K. Dick an ein Lebenserhaltungssystem angeschlossen. Nachdem die Ärzte keine Gehirntätigkeit mehr feststellen konnten, schalteten sie das System ab. Philip K. Dick starb am 2. März 1982 um 8.10 Uhr Ortszeit. »Ein Körper«, führt der Nachruf aus, »dessen Gehirn keine Aktivität mehr zeigt. Was geschieht mit einem Menschen im Koma? Wohin verweht ihn der Hauch des Todes, in welche Alptraumwelt, in welche glückselige Unendlichkeit? Philip K. Dick schwebte zwischen Leben und Tod. Keine Wirklichkeit war für ihn mehr real existent. Die Frage, die er in all seinen Werken gestellt hatte, besaß für ihn selbst plötzlich eine schreckliche persönliche Relevanz.«
Philip K. Dicks Werk steht in der SF so homogen und stark da, wird so sehr mit der Hinterfragung der Wirklichkeit assoziiert, daß sein Tod – oder vielleicht auch die Umstände seines Todes – eine Katalysatorfunktion gehabt haben muß. Mehrere Autoren kamen unabhängig voneinander auf die Idee, Geschichten im Stil von Philip K. Dick zu verfassen. Philip K. Dicks Leben und die Aussagen und Problematiken seines Werks waren zum Kollektivgut geworden.
Eine dieser Stories veröffentlichte der Amerikaner Robert Silverberg In memoriam PKD kurz nach Dicks Tod. Das Interesse an den Problematiken in Dicks Werk regte den Deutschen Gero Reimann dazu an, den Faden konsequent weiterzuspinnen: was, wenn Philip K. Dick aus seinem Tod – seinem Halb-Leben? – erwacht und seine Existenz rechtfertigen muß? Richard Lupoff schließlich ließ Philip K. Dick nach seinem Tod als Protagonist in einer Kurzgeschichte auftreten.
Doch schon vor Dicks Tod hatte es Parodien auf das Werk des Autors gegeben – die bekannteste davon sicherlich John Sladeks Solarer Schuhverkäufer, nicht zu vergessen auch Richard Lupoffs Satire unter dem Pseudonym Ova Hamlet, eine Geschichte aus einem ganzen Zyklus von Parodien auf bekannte SF-Autoren.
Und die Idee zu diesem Buch war geboren.
Willkommen in der Wirklichkeit stellt erstmals sämtliche Geschichten, die unter dem direkten Einfluß von Philip K. Dicks Leben und Werk entstanden, weltweit für den interessierten Leser zusammen. Wie der Herausgeber zu seiner großen Freude feststellen durfte, handelt es sich um höchst unterschiedliche Geschichten – und um Geschichten, die aus sich heraus volle Daseinsberechtigung haben, die den Leser jede auf ihre Art fesseln, Geschichten mit völlig unterschiedlichen Qualitäten, abwechslungsreiche Facetten, die eine hommage an einen der bedeutendsten amerikanischen SF-Autoren darstellen. Natürlich durfte auch Philip K. Dick selbst nicht fehlen. Der Herausgeber entschied sich dafür, keine seiner zahlreichen Kurzgeschichten in diese Sammlung aufzunehmen, sondern das – niemals verfilmte – Treatment für eine Folge der Fernsehserie Invasion von der Wega. Philip K. Dicks Alptraum war es vielleicht, niemals die SF verlassen, niemals für besser bezahlte Medien arbeiten zu können. Erst der Film Blade Runner bescherte ihm eine
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