Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Anton
Vom Netzwerk:
mir diesen Unsinn noch länger anzuhören. Schmerzensgeld! Wenn überhaupt jemand Anspruch auf Schmerzensgeld hat, dann ich.« Er dachte einen Moment lang nach und nickte grimmig. »Genau. Richte Mrs. Valentin aus, daß ich sie verklagen werde. Wegen …« Er gestikulierte, suchte nach dem richtigen Ausdruck. »Wegen böswilligen Verlassens.« Aber das erschien ihm nicht ausreichend, und mit einem bösen Zug um den Mund fügte er hinzu: »Und wegen Mordversuchs. Jawohl, wegen Mordversuchs. Ich bin eine suizidgefährdete Persönlichkeit, und Christina weiß das, aber sie hat mich trotzdem verlassen. Um mich in den Selbstmord zu treiben.« Er schüttelte drohend die Faust. »Nun? Wie gefällt dir das? Ich klage deine Mandantin des versuchten Mordes an! Ich bringe sie ins Orbitalgefängnis. Ich …«
    Aber der Robadvokat hörte nicht mehr zu. Er stieg höher und höher und war kurz darauf im Grau des bewölkten Himmels verschwunden.
    Valentin sah ihm fröstelnd nach; noch immer hatte er das Gefühl, sich in einem Alptraum zu befinden. Zehn Millionen Neue Dollar, dachte er. Mehr als ich in fünfzig Jahren verdienen kann. Christina muß wirklich den Verstand verloren haben. Großer Gott! Erzwingung perverser Handlungen! Er wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Und dieses verfluchte Apartment gab sich dazu her, diese lächerliche, völlig aus der Luft gegriffene Anschuldigung auch noch zu bezeugen!
    Schomon, dachte er. Ich muß mit Schomon sprechen. Wenn mir überhaupt jemand helfen kann, dann der gerissene, juristisch versierte und in jahrzehntelangen Prozessen gestählte jüdische Leiter der Rechtsabteilung. Das Institut hat mir mehr als jedem anderen Reinkarnauten zu verdanken! Es wird höchste Zeit, daß es seine Schuld bei mir abträgt.
    Er eilte zu seinem Mercedes-Schwebewagen. Ich werde nicht nur Christina, sondern auch dieses heimtückische, verlogene Apartment verklagen, entschied er. Ich bringe es wegen Meineid vor Gericht. Ich werde dafür sorgen, daß es seine Immobilienlizenz verliert. Ich werde es ruinieren, so gründlich, daß es nicht einmal mehr als Nighty- Asyl benutzt werden kann.
    Valentin lachte grimmig.
    Er würde kämpfen – und siegen. Koste es, was es wolle.
    Die Wagentür öffnete sich automatisch, und er stieg ein.
    »Guten Morgen, Mr. Valentin«, begrüßte ihn der Autopilot des Schwebewagens fröhlich. »Ein herrlicher Tag, nicht wahr?«
    Valentin schnaubte. »Meine Frau hat mich auf zehn Millionen Neue Dollar Schmerzensgeld verklagt«, sagte er. »Wegen seelischer Grausamkeit und Erzwingung perverser Handlungen. Soviel zu deinem herrlichen Tag.«
    Ein Beben durchlief den Wagen, und er hob vom Landedach ab und schoß mit heulenden Turbojets hinauf in den Himmel, fädelte sich in die südliche Flugschneise ein und nahm Kurs auf das Institut für Reinkarnautik, das nur wenige Flugminuten von seiner Wohnung entfernt lag. Als sich der Düsenlärm mäßigte, ergriff der Autopilot wieder das Wort.
    »Aber was«, fragte er verwirrt, »haben Sie Ihrer Frau denn getan, Mr. Valentin?«
    »Nichts«, sagte er. »Ich habe sie geliebt. Ich habe sie mehr geliebt als je einen Menschen zuvor.« Und ich liebe sie noch immer. Trotz der Trennung, trotz der bevorstehenden Scheidung, trotz dieser bösartigen, absurden Anschuldigung. Mutlos sah er aus dem Fenster, hinunter zu den Ruinen von Los Angeles. Ich bin wie die Stadt, erkannte er. Ein Trümmerhaufen, ein Gespenst, das innerlich tot ist und sich dennoch dem Tod verweigert.
    »Ich verstehe nicht, Mr. Valentin«, sagte der Autopilot. »Ich meine, wie kann Ihre Frau Sie wegen Dinge verklagen, die nie geschehen sind?«
    »Weil sie eine Frau ist. Weil Frauen die Realität nach Gutdünken verändern, bis sie ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen entspricht. Frauen sehen die Welt so, wie sie sie haben wollen; nicht, wie sie ist.«
    Der Autopilot schwieg für einen Moment. »Aber dann«, erklärte er fröhlich, »können Sie unbesorgt sein. Die Computerrichter sind objektiv. Sie werden die Klage abweisen. Bestimmt.«
    Valentin bewegte sich unbehaglich. »Meine Frau hat einen Zeugen.«
    »Einen Zeugen? Für die Erzwingung perverser Handlungen, die Sie nie begangen haben? Zweifellos«, schlußfolgerte der Autopilot, »handelt es sich bei diesem Zeugen ebenfalls um eine der Realität entfremdete Frau. Vielleicht um eine Freundin von Mrs. Valentin?«
    »Nein.« Er schüttelte bedrückt den Kopf. »Der Zeuge ist meine Wohnung. Das verräterische KI-System

Weitere Kostenlose Bücher