Willkommen in der Wirklichkeit
Ich frage mich, was Astor dazu sagen wird, wenn wir in ein paar Jahren seine unbewußten Erinnerungen an sein früheres Leben an die Oberfläche holen.« Er fügte hinzu: »Astor war Atheist. Komisch, nicht wahr? Ich meine, wie kann jemand in der heutigen Zeit noch Atheist sein? Der Beweis für die Existenz Gottes liegt seit der Rückkehr des ersten Reinkarnauten aus dem Jenseits vor.«
»Vielleicht ist der Atheismus die moderne Form der Religion«, sagte Valentin. »Religion hatte nie etwas mit Wissen zu tun.«
»Was haben Sie jetzt vor?«
»Ich habe noch ein paar persönliche Dinge in meinem alten Apartment. Ich hole sie ab und mache mich dann auf die Suche nach einer neuen Wohnung.«
Janosz räusperte sich. »Ich soll Ihnen von Stella ausrichten, daß Sie ihr Apartment benutzen können, bis Sie etwas Passendes gefunden haben. Sie kehrt erst in zwei Wochen aus Mountain Springs zurück und …«
»Nein«, wehrte Valentin ab. »In der Nähe von Beverly Hills soll es eine ganze Reihe von leerstehenden autonomen Immobilien geben. Ich muß eine Weile allein sein.« Bis Christina zu mir zurückkommt, fügte er in Gedanken hinzu. Oder bis die ganze Welt aufgrund Huttens Zeitexperiment zur Hölle fährt.
Er ging zur Tür.
»Denken Sie daran«, rief ihm der Arzt nach. »Um siebzehn Uhr in Bernsteins Büro.«
Valentin zog die Tür hinter sich zu, und ein paar Minuten später betrat er das Landedach des Hauptgebäudes, wo sein Mercedes-Schwebewagen auf ihn wartete. Er blinzelte ins helle Morgenlicht. Hinter der unsichtbaren elektromagnetischen Barriere, die kuppelförmig das Institutsgelände überwölbte, tanzten schwarze Punkte in der Luft. Zweifellos die sensationsgierigen Nachrichtenmaschinen, von denen Christina gesprochen hatte. Sie schienen ihn entdeckt und erkannt zu haben, denn ihr Tanz wurde hektischer, und der frische Wind trug ihre schrillen Stimmen zu ihm herüber.
»Mr. Valentin! Ein Interview für dpa, Mr. Valentin!«
»Fünfzigtausend Neue Dollar für ein Exklusivinterview, Mr. Valentin! Verhandeln Sie nur mit NBC!«
Er zögerte und war einen Moment lang versucht, auf das Angebot einzugehen, aber selbst fünfzigtausend Neue Dollar waren nur ein Bruchteil der astronomischen Summe, auf die Christina ihn verklagt hatte. Und er war überzeugt, daß Hutten eine andere Möglichkeit finden würde, Druck auf ihn auszuüben, auch wenn er das Geld auftrieb. Nein, korrigierte er sich in Gedanken, keine andere Möglichkeit. Christinas Versöhnungsangebot genügt. Ich bin zu schwach, um es abzulehnen. Soviel zur Liebe.
Bedrückt schlurfte er zu seinem Schwebewagen und stieg ein.
»Guten Morgen, Mr. Valentin«, begrüßte ihn der Autopilot heiter. »Ein herrlicher Tag, nicht wahr?«
»Ja«, sagte er einsilbig.
»Wohin darf ich Sie bringen, Mr. Valentin?«
»Zunächst zu meiner alten Wohnung und dann …« Sollte er wirklich nach Beverly Hills? Es war eine schlechte Wohngegend; die Pogrome der Lynkaner – und natürlich das Große Beben – hatten den einstigen Villenvorort der Reichen und Berühmten in einen Slum verwandelt. Trotz der neuerrichteten autonomen Immobilien. »Wir werden sehen«, schloß er vage.
Der Autopilot startete, und bald lag das Institut hinter ihm. Die Nachrichtenmaschinen nahmen die Verfolgung auf, fielen aber nach kurzer Zeit zurück. Valentin hoffte, daß ihn nicht andere Robreporter vor seiner alten Wohnung erwarteten. Seit der Begegnung mit dem Robadvokaten haßte er die homöostatischen Maschinen.
»Mr. Valentin?« Die Stimme des Autopiloten klang alarmiert.
»Was ist?« fragte er.
»Es tut mir leid, Mr. Valentin, aber soeben wurde ein hochfrequenter Kontrollstrahl auf uns gerichtet. Ich habe Anweisung, unverzüglich ein Ziel im nördlichen Nighty- Gebiet anzufliegen. Wenn ich mich weigere oder zu landen versuche, droht mir die sofortige Vernichtung durch einen EMP-Schock.« Der Autopilot schwieg für einen Moment, dann: »In Anbetracht unserer derzeitigen Flughöhe würde das für Sie den Tod bedeuten.«
Nighties, die mit modernsten technischen Mitteln ausgerüstet waren und am hellichten Tag einen Schwebewagen entführten? Gott, diese Menschen, die wie Ratten in den Ruinen hausten, konnten unmöglich über derartige High-Tech-Geräte verfügen! Aber wer waren dann die Entführer? Agenten des Wiedervereinigten Deutschlands? Mehr als wahrscheinlich … Schließlich war Karl von Hutten der mächtigste Mann des Bundes, von ganz Europa. Der deutsche Geheimdienst würde ihn nie
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