Willkommen in der Wirklichkeit
die Mitte, und er ließ sich willenlos in die Dachgarage und eine bröckelnde Treppe hinunter in einen kahlen, fensterlosen Raum führen. Wilde Glühschwämme an der Decke und den Wänden – nach dem Großen Beben unkontrolliert in die Umwelt gelangte Experimentalzüchtungen eines Gen-Labors – verbreiteten fahles grünstichiges Licht. Weitere bewaffnete Araber. Auf einer Plastiktonne hinter einer Plastikkiste saß ein bulliger, kraushaariger Mann mit plattnasigem Gesicht und kleinen, stechend blickenden Augen. Ein stoppeliger Drei-Tage-Bart verlieh seinem aufgeschwemmten Gesicht einen Hauch von Männlichkeit.
»Setzen Sie sich, Mr. Valentin«, sagte er und wies mit einer knappen Handbewegung auf die zweite Plastiktonne. »Wir haben wenig Zeit.«
Valentin gehorchte. »Wer sind Sie?«
»Sie können mich Mohammed nennen.«
Valentin lächelte dünn. Mohammed. Sicher. Der John Smith der islamischen Welt.
»Ich leite die Aktion gegen den verbrecherischen deutsch-zionistischen Plan zur Vernichtung des palästinensischen Volkes«, fügte Mohammed hinzu. Sein Tonfall strafte die Militanz seiner Worte Lügen. Er klang gelangweilt. Ruckartig beugte er sich nach vorn. »Wir haben das Gespräch zwischen Ihnen und Ihrer Frau abgehört, Mr. Valentin. Wir kennen das Angebot, das sie Ihnen gemacht hat. Deshalb haben wir Sie hierher geholt. Trotz des Risikos, daß Sie vom DND oder vom Mossad überwacht werden. Wir haben Sie geholt, um Sie zu warnen.«
Valentin sagte nichts.
»Ihre Frau wird nicht zu Ihnen zurückkehren, Mr. Valentin«, erklärte der Palästinenser. »Sie lügt, wenn sie etwas anderes behauptet. Ihre Frau ist Agentin des Deutschen Nachrichtendienstes. Eine Fanatikerin. Karl von Hutten treu ergeben. Es war kein Zufall, daß Sie ihr vor drei Jahren in Berlin begegnet sind. Sie wurde auf Sie angesetzt. Auf Empfehlung des Mossad, des israelischen Geheimdienstes. Ihr Chef, Benjamin Bernstein, arbeitet für den Mossad.«
Er schwieg einen Moment lang, ließ seine Worte wirken, als wären sie Kugeln, direkt in Valentins Herz gezielt, aber Valentin spürte nichts. Keinen Schmerz, keine Überraschung, keine Enttäuschung. Er fühlte sich leer, ausgehöhlt, müde. Hoffentlich ist es bald vorbei, dachte er. Hoffentlich hat das alles bald ein Ende. Aber, dachte er, es gibt kein Ende. Das Ende ist eine Illusion. Ich bin Reinkarnaut. Ich muß es wissen.
Deprimiert sah er Mohammed an.
Der Palästinenser rieb sein stoppelbärtiges Kinn. »Der Mossad hat vor Jahren von allen Reinkarnauten in den USA Psychoprofile anfertigen lassen. Die Unterlagen über die sieben fähigsten Scouts wurden in Berlin ausgewertet. Karl von Huttens Spezialisten suchten nach einer Persönlichkeit, die leicht zu manipulieren war, die sogar dann für Hutten arbeiten würde, wenn sie den deutsch-zionistischen Plan innerlich ablehnte, ob nun aus Angst, moralischen Skrupeln, Feigheit oder sonstigen Gründen. Die Wahl fiel auf Sie, Mr. Valentin. Sie sind psychisch instabil mit masochistischen Tendenzen, auf dominante Frauen fixiert, unfähig, sich aus eigener Kraft aus einer zerstörerischen Beziehung zu lösen.«
»Sehr freundlich«, murmelte Valentin. »Sie ersparen mir glatt den Besuch bei einem Psychiater.«
»Ich zitiere nur«, erklärte Mohammed verärgert, »nenne Fakten. Das ist alles. Außerdem sind Sie der beste Reinkarnaut, den der Mossad und der DND finden konnten. Besser als jeder deutsche Scout, besser als die Spezialisten aus Tibet.« Er klemmte sich eine dunkle türkische Zigarette in den Mundwinkel, zündete sie aber nicht an. »Die DND-Agentin und ausgebildete Psychologin Julia Kirsch alias Christina Werther wurde auf Sie angesetzt … Kennen Sie den Begriff Romeo-Agent, Mr. Valentin? Er wurde im Kalten Krieg von den westlichen Geheimdiensten für den Typ Ostspion geprägt, der amouröse Beziehungen zu den Sekretärinnen hoher Regierungsvertreter unterhielt, um so an vertrauliche Informationen zu kommen.« Der Palästinenser lächelte humorlos. »Nun, Ihre Frau ist eine Julia-Agentin. Eine sehr erfolgreiche, wie wir wissen. Sie hat Sie in der Hand.«
Valentin schwieg.
Der Palästinenser wartete einen Moment, wechselte dann abrupt das Thema. »Lohannon hat Sie über den deutsch-zionistischen Plan informiert, nicht wahr?«
Valentin nickte. »Die Deutschen wollen die jüdischen Opfer Nazi-Deutschlands vor dem Holocaust retten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie …«
»Wir kennen die Einzelheiten des Plans nicht«, unterbrach
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