Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
Kürzel tf, wie Tobias Frank.
Weihbischof Becker hatte erneut eine Pressekonferenz gegeben und alle Karten auf den Tisch gelegt. »Wir haben die Forderungen der Erpresser erfüllt und gezahlt. Aber das sogenannte Kommando Jan van Leiden will immer mehr. Jetzt ist die Polizei am Zuge. Die Kirche ist jederzeit bereit, die linke Wange hinzuhalten, wenn sie auf die rechte geschlagen wird. Doch irgendwann stoßen auch wir, in Verantwortung für das Geld der Kirchensteuerzahler, an unsere Grenzen«, wurde Becker zitiert. Dann zählte der Artikelschreiber noch einmal sämtliche Anschläge der Wiedertäufer auf und ließ einen Polizeisprecher mit der Bemerkung zu Wort kommen, dass man derzeit keine heiße Spur habe.
»Gestern«, schrieb tf weiter, »ist in der Redaktion unserer Zeitung ein Bekennerschreiben des Kommandos Jan van Leiden eingegangen. Obwohl wir aus prinzipiellen Gründen die Wiedergabe von Bekennerschreiben ablehnen, machen wir in diesem Fall eine Ausnahme. Im nebenstehenden Kasten finden Sie eine gekürzte Fassung des Schreibens. Selbstverständlich distanziert sich die Redaktion aufs Schärfste von den dort formulierten Thesen.«
Der Kasten war wegen seines dicken schwarzen Randes nicht zu übersehen. »Bislang haben wir geschwiegen«, begann der Text. »Doch jetzt wenden wir uns an die Öffentlichkeit. Der höhere Klerus des Bistums Münster versucht, uns zu Antichristen, ja, zu gewöhnlichen Kriminellen abzustempeln. Das ist nicht wahr. Die meisten von uns sind gläubige Christen. Wir können jedoch nicht weiter zusehen, wie die katholische Kirche im Namen Jesu Unrecht begeht.« Es folgte eine Zusammenfassung der Argumente, die ich bereits in dem Haus in Angelmodde gehört hatte. Am Ende dann der kernige Satz: »Wir kämpfen weiter! Kommando Jan van Leiden«
Stürzenbecher machte einen zerknirschten Eindruck, als er mich gegen zehn abholte. »Du hast Glück. Der Weihbischof hat sich für deine Freilassung eingesetzt.«
»Guck an! Die Kirche betreut nicht nur ihre eigenen Schäfchen.«
»Bild dir ja nichts darauf ein«, grummelte Stürzenbecher. »Ich bleib dir weiter auf den Fersen. Ein Fehler von dir, und ich nehme dich hops.«
»Du bist ja direkt nachtragend. Sollte ich deinen Charakter überschätzt haben?«
»Arschloch«, knurrte Stürzenbecher, konnte dann aber seine Neugier nicht zügeln: »Hast du eine Ahnung, was der Weihbischof an dir gefressen hat?«
»Ja.«
»Und?«
»Ich habe ihm meine Seele versprochen.«
»Mistkerl.«
Er bugsierte mich in den Aufzug. »Du erwähntest gestern, dass die Geldübergabe vor vier Tagen im Zoo stattgefunden hat. Am selben Tag ist dort etwas Merkwürdiges passiert. Jemand hat sich als Polizist ausgegeben und ein Auto entwendet. Aber das ist noch nicht alles. Der Dieb verabschiedete sich mit den Worten: ›Wenden Sie sich an Kommissar Stürzenbecher im Polizeipräsidium!‹«
Ich schüttelte fassungslos den Kopf.
»Heute Morgen«, fuhr Stürzenbecher fort, »haben wir den Wagen gefunden. Er stand im Kreuzviertel, zwei Straßen von deiner Wohnung entfernt.«
Fragend hob ich eine Augenbraue: »Du glaubst doch nicht etwa …?«
»Möchtest du es auf eine Gegenüberstellung ankommen lassen?«
»Nicht unbedingt«, gab ich zu.
Stürzenbechers Büro war überfüllt. Neben Weihbischof Becker, der hektisch an seiner Zigarette zog, und dem finsterer denn je dreinblickenden Monsignore Kratz befand sich noch ein geschniegelter Jungkarrierist im Raum, der vor lauter Unsicherheit nicht wusste, wo er seine Hände verstecken sollte.
»Kriminalrat Feldkamp«, stellte Stürzenbecher vor.
Feldkamp reichte mir eine schweißnasse Hand. »Tut mir sehr leid, dass Sie unseretwegen Unannehmlichkeiten hatten.« Er wandte sich an Becker: »Nochmals: Wir konnten ja nicht ahnen, dass Herr Wilsberg …«
»Schon gut, junger Mann«, fuhr ihm Becker in die Parade. »Können wir jetzt gehen?«
Die roten Flecken auf Feldkamps Gesicht breiteten sich aus wie Scharlach. »Selbstverständlich. Herr Wilsberg ist ein freier Mann.«
»Das Protokoll«, sagte Stürzenbecher.
Feldkamp hüpfte von einem Bein aufs andere, als müsse er dringend aufs Klo. »Das hat doch noch Zeit.«
»Vorschrift.« Stürzenbecher blieb gelassen. »Wollen Sie, dass ich die Vorschrift missachte?«
Ich nahm ihm das Blatt Papier und den Kugelschreiber aus der Hand und überflog meine Aussage. Sie bestand im Wesentlichen darin, dass ich jede Aussage verweigerte. Ich unterschrieb.
»Sei bloß vorsichtig!«,
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