Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
zischte Stürzenbecher, als er mich zur Tür brachte.
»Du auch. Du weißt doch, bei Dicken ist das Herzinfarktrisiko weitaus größer als …«
Krachend fiel die Tür hinter mir zu.
Becker, Kratz und ich fuhren gemeinsam im Aufzug nach unten. »Vielen Dank, dass Sie mich da rausgeholt haben«, sagte ich.
»Nicht der Rede wert.« Der Weihbischof guckte auf seine Armbanduhr. »Wir fühlten uns in der Pflicht. Schließlich haben Sie den Job, so sagt man doch, für uns erledigt. Allerdings sind wir nicht bereit, auf immer und ewig unsere Hand über Sie zu halten. Ich will gar nicht wissen, was Sie in den letzten drei Tagen gemacht haben. Aber von jetzt an, seien Sie sich dessen bewusst, arbeiten Sie auf eigene Rechnung.«
Die Aufzugtür öffnete sich. Kein Polizist weit und breit.
»Eine Frage hätte ich noch: Warum haben Sie den Wiedertäufern Spielgeld gegeben?«
Becker und Kratz guckten sich an, dann zeigte mir der Weihbischof seine runderneuerten Zähne: »Wir haben nichts zu verschenken, Herr Wilsberg. Vergessen Sie nicht: Die sind die Bösen, wir sind die Guten. Und nun entschuldigen Sie uns bitte!«
»Apropos Geld«, beeilte ich mich. »Ich habe alles getan, was Sie wollten. Sie schulden mir noch die zweite Rate.«
»Kratz!«, bellte Becker.
Aus den Tiefen seiner Soutane zauberte der Monsignore einen himmelblauen Scheck. Eine herrliche Eins mit vier Nullen.
»Hoffentlich ist er echt«, sagte ich. Aber da waren die beiden Geistlichen schon enteilt.
Mir fielen mehrere Sachen ein, die ich erledigen wollte, ich geriet regelrecht in Arbeitswut. Deshalb entschloss ich mich, erst einmal ein Bad zu nehmen und meine dreckige Kleidung zu wechseln. Ein Vorsatz, den ich schon bereute, als ich die wenigen hundert Meter vom Polizeipräsidium bis zu meiner Wohnung gegangen war. Denn vor dem Küchenfenster patrouillierte Herr Johanimlei, mein allmächtiger Vermieter.
»Herr Wilsberg, gut, dass ich Sie treffe«, stürzte er sich wie ein ausgehungertes Frettchen auf mich. Als hätte er nicht den ganzen Morgen gewartet.
»Wissen Sie, was das ist?« Er zog einen Umschlag aus der Tasche.
»Die Räumungsklage, nehme ich an.«
»Richtig. Meine Geduld ist zu Ende.«
»Haben Sie die Zahlung nicht erhalten?«
Das brachte ihn aus der Spur. »Welche Zahlung?«
»Ich habe vor ein paar Tagen die ausstehenden Mieten überwiesen. Und von jetzt ab zahle ich wieder pünktlich.«
»Aber, aber …«, stammelte er.
Ich schaute ihm tief in die Augen. »Herr Johanimlei, ich wohne seit fünfzehn Jahren in dieser Wohnung. Es würde mir das Herz brechen, wenn ich ausziehen müsste.«
Das saß. Sein Blick senkte sich. Die Hand mit dem Briefumschlag zitterte. Eigentlich war er ein herzensguter Mensch. Wenn er nur nicht so viele Häuser besitzen würde.
Später am Tag ging ich zu Sigi, in mein altes Büro am Prinzipalmarkt. Sigi trug eine dunkle Sonnenbrille, obwohl es Anfang März und keineswegs sonnig war.
»Hat dich Boris geschlagen?«, fragte ich.
Sie nahm die Brille ab. Ich frage mich immer öfter, ob in Spielfilmen die Realität zitiert wird oder ob die Menschen sich nach dem richten, was sie im Kino sehen. So, wie ich bei einem reuigen Mafioso gelesen { 5 } habe, dass die ganze sizilianische Mafia anfing, sich so zu kleiden und so zu reden wie Marlon Brando, nachdem sie im ›Paten‹ war.
Sigi hatte ein blaues Auge.
»Ich mochte deinen Freund noch nie. Soll ich dir helfen, ihn loszuwerden?«
»Er ist schon ausgezogen.« Sie setzte die Brille wieder auf. »Und spar dir bitte deine zynischen Sprüche. Es geht mir beschissen, ich könnte auf der Stelle heulen, wenn ich nicht so viel zu tun hätte.«
Ich sparte mir alles, was mir zu ihrem bisexuellen, lederbekleideten, motorradfahrenden Exfreund Boris auf der Zunge lag, und kam zur Sache. Die hieß Andreas Kleine-Schüttringhaus, der verschwundene Junge, den ich auf der ›Professor Landois‹ gesehen hatte und der mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Kommando Jan van Leiden gehörte. Sigi hörte aufmerksam zu, als ich ihr in knappen Zügen von den neuen Wiedertäufern berichtete.
»Und was schlägst du vor?«, fragte sie, als ich fertig war.
»Zunächst einmal sollten wir das Haus in Angelmodde in Augenschein nehmen. Vielleicht finden wir ja etwas, das uns weiterbringt. Und dann ist ein Besuch bei den Kleine-Schüttringhausens fällig, meinst du nicht?«
Das Haus in Angelmodde sah verlassen aus, was mich nicht überraschte. Durch die Scheiben des
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