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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Erdgeschosses konnte man erkennen, dass jemand im Wohnzimmer gründlich aufgeräumt hatte, sogar der Kamin war leer gefegt. Anzeichen menschlichen Lebens, wie herumstehende Flaschen, aufgeschlagene Zeitschriften oder volle Aschenbecher, fehlten völlig. Alle Türen und Fenster waren fest verschlossen, und auf unser Klopfen und Rufen reagierte niemand. So schlug ich kurzerhand ein rückwärtiges Fenster ein.
    Beim Durchklettern zog ich mir eine hässliche Risswunde am Oberschenkel zu, ging fluchend zur Vordertür, um sie, mit einem Lächeln auf den Lippen, für Sigi zu öffnen.
    Die Wiedertäufer hatten ganze Arbeit geleistet, ratzekahl war alles entfernt worden, das auch nur annähernd privaten Charakter hatte. Kein Brief, kein Zettel, nicht mal ein verräterischer Bierdeckel ließ sich nach intensivem Schubladenstudium entdecken. Dafür fanden wir eine Mullbinde für mein Bein und eine Sicherheitsnadel, um die Hose notdürftig zusammenzuhalten.
    Derart verarztet besuchten wir das nächstgelegene Nachbarhaus, einen zweihundert Meter Luftlinie entfernten Bauernhof.
    Es war kein angenehmer Spaziergang. Zuerst roch es nach Gülle, die über die umliegenden Äcker verstreut worden war, und dann, je näher wir dem Bauernhof kamen, nach Schwein.
    »Ihhh«, machte Sigi. »Was ist das für ein bestialischer Gestank?«
    »Der euphemistische Ausdruck dafür ist Landluft«, bemerkte ich.
    Wir gingen über den gepflasterten Hof, begleitet vom Geheul zweier Zwinger-Hunde, und betätigten eine Kuhglocke.
    Der Bauer kam selbst an die Tür, betrachtete uns misstrauisch (Sigi trug noch immer ihre Sonnenbrille), gab dann aber bereitwillig Auskunft. Er habe gehört, das Haus sei von einem Wissenschaftler aus Amerika gemietet worden. Die vielen Leute seien ihm auch aufgefallen. Aber was solle man sich denken, bei einem Wissenschaftler, zumal aus Amerika? Freunde halt, oder Studenten. Kennengelernt habe er keinen. Nein, Autonummern habe er sich nicht gemerkt. Wozu auch, die seien ja schließlich alle wieder weg. Gott sei Dank, wenn man ihn fragen würde, so viele Leute, die ganzen Autos, Lärm bis tief in die Nacht. Gehörten wir etwa zu denen?
    »Hältst du es für richtig, in diesem Aufzug bei den Kleine-Schüttringhausens aufzukreuzen?« Sigi kaute auf der Unterlippe. »Wir sehen aus wie ein Gangsterpärchen auf der Flucht.«
    Ich lenkte den Wagen stadteinwärts. »Sollen sie doch sehen, dass wir uns für ihr Geld krummlegen. Die meisten Klienten denken, Privatdetektive sind faule Säcke, die in ihren Autos hocken, Hamburger kauen und dazu Kaffee aus Plastikbechern schlürfen. Das haben sie aus diesen amerikanischen Filmen. Wir sind lebende Beispiele für harten körperlichen Einsatz im Dienst des Kunden.«
    Die Kleine-Schüttringhausens waren tatsächlich beeindruckt, allerdings weniger von unserer äußeren Erscheinung als vielmehr von der Tatsache, dass sie mit fünftägiger Verspätung ein Lebenszeichen von ihrem Sohn erhielten.
    Frau Kleine-Schüttringhaus hatte uns an der Tür abgeholt und ins Wohnzimmer geführt, wo Herr Kleine-Schüttringhaus, noch in seiner Arbeitsuniform (grauer Anzug, gestreiftes Hemd, Krawatte), über einer Flasche Bier brütete.
    Die Atmosphäre war verkrampft, und sie wurde nicht besser, als ich dem Ehepaar von meiner Begegnung mit Andreas auf der ›Professor Landois‹ erzählte.
    »Und damit kommen Sie erst jetzt!«, schrie Herr Kleine-Schüttringhaus.
    Und seine Frau assistierte: »Eine Unverschämtheit. Wofür bezahlen wir Sie eigentlich?«
    Ich versuchte sie zu beruhigen. »Ich war mehrere Tage von der Außenwelt abgeschnitten. Glauben Sie mir, ich würde Ihnen gerne mehr erzählen, aber ich darf nicht. Das hat nichts mit Ihrem Sohn zu tun. Oder nur indirekt.«
    »Verstehst du das?«, fragte Frau Kleine-Schüttringhaus ihren Mann.
    »Nein«, antwortete er. »Ich glaube, er will sich herausreden.«
    »Ihr Sohn«, fuhr ich fort, »hat sich einer Gruppe angeschlossen, die sich Kommando Jan van Leiden nennt. Nach diesem König der Wiedertäufer, der im sechzehnten Jahrhundert in Münster lebte.«
    »Noch mal!«, sagte Herr Kleine-Schüttringhaus.
    Ich erklärte es ihm, berichtete von den Anschlägen und den Erpresserbriefen, wobei ich mich auf das beschränkte, was in der Zeitung gestanden hatte.
    »Das soll Andreas gemacht haben?« Er wurde aschfahl im Gesicht.
    Seine Frau stand auf und legte ihre Hände auf seine Schultern. »Sind Sie damit zur Polizei gegangen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Wir

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