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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Tobias Frank war in seiner Jugend ein engagierter Katholik gewesen.
    Rasch blätterte ich die Bilder durch. Frank wurde älter, besuchte Katholikentage, führte selbst eine Gruppe von Knaben ins Feldlager. Plötzlich stockte mein Atem. Das Mädchen, das mit Frank Arm in Arm unter einem Transparent mit der Aufschrift »An Gott kommt keiner vorbei« stand, hatte eine verdammte Ähnlichkeit mit Mareike.
    Wie benommen setzte ich mich auf einen Sessel. Die Vertrautheit der beiden versetzte mir einen Stich ins Herz. Dass sie sich so lange kannten, empfand ich als Verrat. Ob sie sich geliebt hatten? Der Gedanke verursachte Magenkrämpfe. Und konnte es sein, dass sie noch heute …?
    Um mich abzulenken, drückte ich auf die Taste des Anrufbeantworters, der durch sein grünes Blinken zu erkennen gab, dass er abgehört werden wollte. Und dann hörte ich auch noch ihre Stimme. Zunächst verstand ich gar nichts, beim zweiten Durchlauf notierte ich den Text: »Heute Abend um acht, auf halbem Weg, den der Apostel Klopriß nahm, in der ersten Gaststätte am Platz.« Wieder so ein Wiedertäuferrätsel.
    Bevor ich länger darüber nachdenken konnte, hörte ich Stimmen im Treppenhaus. Ein Blick aus dem Fenster bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen. Vor dem Haus parkte ein Polizeiwagen. Ich saß in der Falle.
    Das Schlafzimmer hatte einen kleinen Balkon, der zum Hof hinausging. Ich beugte mich über die Brüstung und schauderte. Sechs oder sieben Meter unter mir lag der asphaltierte Innenhof.
    Ein Klopfen an der Wohnungstür. »Polizei. Ist da jemand?«
    Rittlings saß ich auf der Balkonmauer und hielt mich am Regenrohr fest. Die Angst machte mich fast bewusstlos. Jetzt nur nicht nach unten gucken!
    Ein Schwung, und die Beine umklammerten das Rohr. Langsam rutschte ich nach unten. So weit konnte doch der Balkon der ersten Etage nicht entfernt sein! Endlich spürte ich etwas Festes unter den Füßen. Meine Knie waren so weich, dass ich auf dem Hintern landete. Immerhin, die Hälfte war geschafft.
    Der Rest ging einfacher. Als ich auf dem Boden ankam, atmete ich tief durch. Oben trat jemand auf den Balkon. »Hier ist er auch nicht«, informierte der Polizist seinen Kollegen.
    Der Innenhof war von Garagen und hohen Mauern umstellt. Es gab nur einen Zu- und Ausgang, nämlich eine Art Tunnel, der durch das Haus zur Straße führte. Schnell zog ich den Arbeitsanzug aus und warf ihn in eine Mülltonne. Darunter trug ich noch eine andere Hose und ein dickes Sweatshirt. Eine Vorsichtsmaßnahme, für die ich mich im Nachhinein lobte.
    An abgestellten Fahrrädern vorbei schlich ich zur vorderen Hausfront. Das Blaulicht auf dem Polizeiwagen rotierte, und im Inneren quäkte eine Funkstimme. Aber die Polizeikräfte massierten sich in der Wohnung von Tobias Frank, und statt des befürchteten Menschenauflaufs standen nur zwei Kinder auf dem Bürgersteig, die mit offenen Mündern nach oben guckten. Ich ging an ihnen vorbei, guckte ebenfalls nach oben und beschleunigte meinen Schritt.

XVIII
    Zu Hause fand ich einen Brief meines Vermieters, der mich davon in Kenntnis setzte, dass er jetzt endgültig die Räumungsklage eingereicht habe. »Trotz Ihrer neuerlich abgegebenen Versicherung, pünktlich zahlen zu wollen, sind Sie schon wieder zwei Monatsmieten schuldig geblieben«, teilte mir Herr Johanimlei in verwegenem Deutsch mit.
    Wutentbrannt rief ich Herrn Bosse von meiner Hausbank an. Was das denn solle, die Miete nicht zu überweisen, schließlich hätte ich zwanzigtausend Mark eingezahlt. Jedem Baulöwen würden die Milliarden nachgeschmissen, aber uns kleinen, hart arbeitenden Selbstständigen und so weiter und so weiter.
    Ich durfte mithören, wie er auf seinem Computer herumhackte.
    »Tut mir leid«, verkündete er in einem Tonfall, der allenfalls Spurenelemente von Mitgefühl enthielt, »der letzte Scheck ist nicht eingelöst worden.«
    »Wieso nicht?«, heulte ich auf.
    »Die Bistumsbank hat den Scheck nicht akzeptiert, weil ihn der Aussteller storniert hat. Natürlich mussten wir Ihr Konto rückbelasten. Unter diesen Umständen, das müssen Sie verstehen, Herr Wilsberg, sind Überweisungen von Ihrem Konto außerhalb jeglicher Diskussion.«
    Ich taumelte zur Couch. Plötzlich verstand ich, wieso es Leute gab, die die Kirche hassten. Monsignore Kratz hatte den Scheck sperren lassen. Ich überlegte, wo ich meine Gaspistole zuletzt gesehen hatte. Dann verwarf ich den ersten Impuls, ins Generalvikariat zu stürmen und Kratz mit gezogener

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