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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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einfach auf den Körper. Die Kugel soll ihn zwar am Arm treffen, aber das ist für die Einstellung egal. Wir arbeiten mit Schuss und Gegenschuss. Einfach abdrücken, ohne zu zögern.«
    Bei der dritten Aufnahme kamen wir über die Prügelszene hinaus. Becher hatte mich am Kragen gepackt und wassersprühend gebrüllt: »Warum folgen Sie mir? Was wollen Sie von mir? Habe ich irgendetwas verbrochen?« Ich hatte einen Schwinger angedeutet, er war theatralisch zu Boden gegangen. Jetzt torkelte er wutschnaubend auf mich zu, und ich zog die Pistole aus dem Schulterhalfter.
    Einen Moment lang zögerte ich, dann senkte ich den Lauf und drückte ab. Krachend entlud sich die Spielzeugpistole.
    »Aus!«, schrie Rommersberger. »Verdammt noch mal, Wilsberg, Sie sollen nicht in den Boden schießen, sondern auf Becher. Ist das denn so schwer zu begreifen?«
    »Argggh«, machte Becher und fiel um.
    »Becher, was soll denn das?«, raunzte Rommersberger. »Ich habe Aus gesagt. Die Szene ist versaut. Wir müssen noch mal von vorne anfangen.«
    »Mein Bein«, gurgelte Becher. »Au! Hilfe!«
    Jetzt sah ich das Loch in Bechers Hose, das sich langsam dunkelrot färbte.
    Aus der Mündung der Pistole kringelte hellgrauer Rauch.
    »Da war eine Kugel drin.« Wütend schleuderte ich das Ding vor Rommersbergers Füße. »Ich hätte ihn beinahe umgebracht.«
    »Aber ... aber ...« Rommersberger taumelte zurück. »Wieso denn?«
    Schweigend starrten alle auf Becher, der wimmernd am Boden lag.
    Ich riss mich als Erster zusammen. »Rufen Sie einen Notarzt!«, herrschte ich Conny, die Aufnahmeleiterin, an und kniete mich neben den verletzten Schauspieler. Mit meinem Hosengürtel band ich das verwundete Bein ab, während ich ihn zu beruhigen versuchte.
    »Es wird schon wieder. Nach ein paar Tagen im Krankenhaus sind Sie wieder auf dem Damm.«
    Aber der Mime hörte mich nicht. Mit glasigen Augen guckte er in den wolkenlosen Himmel. Offensichtlich hatte er einen Schock.
    »Ich brauche eine Decke und warmen Tee«, rief ich über die Schulter. »Und zwar sofort.«
    Endlich hatte sich auch Rommersberger gefangen. »Bewegung, Bewegung«, krächzte er heiser. »Tut, was er sagt!«
    Als die Notärztin kam, setzte ich mich auf einen Baumstumpf und fing an zu zittern. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, dass ich um Haaresbreite einen Menschen getötet hatte. Den Lauf der Pistole zu senken war keine bewusste Entscheidung gewesen, sondern ein Reflex. Und das alles nur, weil diese Filmfritzen zu blöd waren, Platzpatronen von richtigen zu unterscheiden. Ich nahm einen abgebrochenen Ast und schlug damit auf den Waldboden ein.
    »Geht’s dir gut?«, fragte Gabi besorgt.
    »Nein«, brüllte ich. »Ich schieße nicht jeden Tag auf Menschen.«
    Sie war peinlich berührt. »Ich versteh das auch nicht. In den drei Jahren, in denen ich bei Mega Art arbeite, ist so etwas noch nie passiert. Und wir drehen zwei Dutzend Krimis pro Jahr.«
    Poppelhove und Wildkat waren inzwischen auch am Drehort erschienen. Während Becher in den Krankenwagen verfrachtet wurde, redete Poppelhove auf die Notärztin ein. Alle drei guckten zu mir herüber.
    »Ich glaube, die wollen was von mir«, sagte ich und stand auf.
    »Nein, bleib hier. Poppelhove regelt das schon.« Gabi wollte mich festhalten.
    Ich schüttelte sie ab. Wutgeladen marschierte ich auf die Gruppe zu. Wenn Poppelhove die Sache vertuschen wollte, würde er mich kennenlernen.
    Als ich näher kam, hörte ich, dass die Notärztin der gleichen Meinung war.
    »Das ist eine Schussverletzung. In solchen Fällen muss ich die Polizei verständigen. Andernfalls mache ich mich strafbar.«
    »Ein Arbeitsunfall«, beharrte Poppelhove händeringend. »Wir sind hier schließlich nicht auf dem Bau, sondern beim Film. Niemand wollte, dass der Mann da verletzt wird.«
    »Tut mir leid.« Die Notärztin wendete sich ab.
    »Hören Sie!« Poppelhove griff nach ihrem Arm. »Kann Ihr Krankenhaus nicht ein neues Röntgengerät oder so etwas gebrauchen?«
    »Wollen Sie mich bestechen?«, fauchte sie zurück.
    »Lassen Sie das, Poppelhove!«, sagte Wildkat scharf. »Sie sehen doch, dass es keinen Zweck hat. Außerdem – irgendjemand hat großen Bockmist gebaut, und er wird dafür zur Rechenschaft gezogen werden müssen.«
    Poppelhove ließ den Kopf hängen. »Das kostet uns mindestens einen Drehtag. Und wo kriege ich so schnell einen neuen Hauptdarsteller her?«

V
    Ich hatte natürlich gehofft, dass mein alter Kumpel Stürzenbecher erscheinen würde,

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