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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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verstehen, dass ich schon mal hungriger gewesen war.
    »Nur eine Kleinigkeit. Außerdem sind wir dort ungestört.«
    Die Neugier siegte, wie immer.
    Die Küche des Gallitzin hatte an diesem Mittag ein Buffet aufgefahren, das sich, pures Understatement, westfälisch nannte. Man hatte die Wahl zwischen kaltem und warmem Fleisch von Schweinen, Kaninchen, Rindern und Enten. Selbstverständlich nicht einfach so, sondern in Meerrettichkrusten oder mit Kürbisgemüse. Ich nahm zwei Entenkeulen in Pflaumensauce und ein Pumpernickeleis, Poppelhove entschied sich für Feldsalat mit Kartoffeldressing und gebratene Zanderfilets.
    Nach dem ersten Kauen kam er zur Sache: »Wie gut sind Sie, Herr Wilsberg?«
    Ich betrachtete ihn über meine Entenkeule hinweg. »Als was?«
    »Als Detektiv. Was Ihre schauspielerischen Fähigkeiten angeht, glaube ich nicht, dass Sie jemals für einen Oscar vorgeschlagen werden.«
    »Meine Erfolgsquote liegt bei siebzig zu dreißig. Als Derivate-Händler wäre ich ein Knüller.«
    Poppelhove lächelte herablassend. »Netter Vergleich. Was halten Sie von der Arbeitshypothese, dass der Schuss auf Becher kein Unfall war?«
    Ich knabberte weiter an der Keule. »Vorhin haben Sie aber was anderes behauptet.«
    »Da ging’s mir darum, dass das hier weiterläuft. Das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können, ist ein öffentlicher Skandal. Mega Art muss sich ein bisschen durchboxen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Money«, sagte ich.
    »Na ja, wir haben eine große Produktion in den Sand gesetzt. Ist nicht gerade gut fürs Renommee. Noch einmal einen Abbruch der Dreharbeiten, das kann ich mir einfach nicht leisten.«
    »Sie möchten also, dass der Täter geräuschlos entfernt wird«, konstatierte ich.
    »Genau daran habe ich gedacht, Herr Wilsberg.«
    »Dann haben Sie sicher eine Ahnung, wer hinter dem Anschlag steckt.«
    »Nein.«
    »Das ist aber komisch.« Ich wischte mir den Mund ab. »Wenn Sie glauben, dass Becher umgebracht werden sollte, müssen Sie doch dafür einen Anhaltspunkt haben.«
    »Ich sage ja nicht, dass es in erster Linie um Becher geht. Vielleicht will jemand Mega Art fertigmachen.«
    Ich zog das Pumpernickeleis näher ran. »Ein bisschen vage, finden Sie nicht?«
    »In letzter Zeit häufen sich die Pannen. Ich habe aufgehört, das für Zufälle zu halten. Es gibt einen Saboteur in der Crew. Finden Sie ihn, Herr Wilsberg! Bitte!«
    »Wie soll ich das, Ihrer Meinung nach, anstellen?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Sie sind der Detektiv. Halten Sie die Augen offen.«
    »Na gut. Da ist ein Punkt, den ich schon längst ansprechen wollte.«
    Er guckte mich fragend an.
    »Meine Gage.«
    Wir einigten uns auf tausend Mark pro Drehtag, für den doppelten Einsatz als Schauspieler und Detektiv.
    »Hmmm«, sagte ich. »Köstlich.«
    »Was?«
    »Das Pumpernickeleis.«
    Die Untersuchung der schneidigen Kommissarin Tecklenburg brachte keine neuen Erkenntnisse. Aus dem Krankenhaus kam die Nachricht, dass Becher über dem Berg sei. Allerdings würde es mindestens zwei Wochen dauern, bis er wieder stehen könne.
    Ich machte mich auf die Suche nach Gabi, weil ich sie zum Ausgangspunkt meiner eigenen Recherchen auserkoren hatte. Nach einem halben Kilometer Laufstrecke durch das Gallitzin stand ich endlich vor ihrem Zimmer. Gabi hatte ein Handy am Ohr und war genervt.
    »Ich habe jetzt keine Zeit, Georg. Du kannst dir nicht vorstellen, was hier los ist.«
    Ihr Zimmer sah aus wie das Ergebnis einer Zeitreise, bei der jemand seine Bürogeräte ins achtzehnte Jahrhundert mitgenommen hatte. Auf den wertvollen Sesseln, Sofas und Tischen lagen Aktenordner, Videokassetten und Papiere herum. Ein Faxgerät spuckte die weiße Droge der Printjunkies aus, und auf einem Beistelltischchen mit geschwungenen Beinen leuchtete mattblau der Monitor eines Notebooks.
    »Bis morgen früh muss ich einen neuen Hauptdarsteller beschaffen, weißt du, was das bedeutet?«
    Ich konnte es mir vorstellen.
    »Ich werde telefonieren, bis mir das Telefon aus der Hand fällt, und mir dabei den Mund fusselig reden. So sieht mein Plan für den Abend und die Nacht aus.«
    Also setzte ich mich in meine rosafarbene Ente und düste davon. Mit einem gewissen Abstand kommt man manchmal auf klarere Gedanken. Und außerdem hatte ich ja auch noch andere Klienten, die meine volle Tatkraft verlangten.
    Ich parkte in Sichtweite des reichardtschen Anwesens und delektierte mich an dem Lunchpaket, das ich mir aus den Überresten des Westfälischen Buffets

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