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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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stattdessen hetzte uns das münstersche Polizeipräsidium eine junge, nach Ehrgeiz riechende Kommissarin auf den Hals. Trotz der hochsommerlichen Temperaturen trug sie ein graues Kostüm über einer hochgeschlossenen Bluse. Dazu passte eine helmartige, wetter- und rutschfeste Frisur. Mit ihrer großen Umhängetasche sah sie ein bisschen aus wie eine Mischung aus Avon-Beraterin und Heilsarmee-Majorin.
    Die Spurensuche beschränkte sich auf eine kurze Besichtigung des Tatortes (das Projektil steckte noch in Bechers Bein) und eine Inaugenscheinnahme der Tatwaffe. Dann kam sie zu mir herübermarschiert.
    »Warum wollten Sie den Schauspieler Becher umbringen?«, eröffnete sie das Verhör, nachdem wir unsere Namen ausgetauscht hatten. Sie hieß übrigens Tecklenburg.
    »Wollte ich gar nicht«, antwortete ich.
    »Sie haben immerhin auf ihn geschossen.«
    »Ich habe abgedrückt, das ist richtig. Allerdings in dem guten Glauben, dass es nur knallen würde.«
    Sie starrte mir kurz ins Gesicht. Vermutlich war das ihre Methode, Verdächtige einzuschüchtern.
    »Sie hatten die Gelegenheit, die Platzpatrone durch eine echte zu ersetzen.«
    »Kommen Sie! In den drei Sekunden, die ich benötigte, um die Pistole entgegenzunehmen und sie in das Schulterhalfter zu stecken, haben mir ungefähr fünfzehn Leute zugeguckt.«
    »Von wem haben Sie sie bekommen?«
    »So ein junger Typ, der für die Requisiten zuständig ist. Er trägt lange Haare und eine geschnürte Lederhose.«
    Man konnte sehen, wie sie sich gedanklich eine Notiz machte. Dann nahm sie mich weiter in die Mangel. »Noch mal zum Zeitfaktor. Sie steckten also die Pistole in das Halfter. Wie viel Zeit verging von da an, bis Sie den Schuss abgaben?«
    »Etwa dreißig Minuten. Wir haben die Szene mehrfach geprobt.«
    »Aha!«
    »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Was für ein Motiv soll ich haben, einen mir völlig Unbekannten abzuknallen?«
    »Das versuche ich ja gerade herauszufinden. Sie haben mir noch nicht verraten, wie Sie zu Becher stehen.«
    »Wenn Sie die Tatsache, dass ich gestern Abend drei Sätze mit ihm gewechselt und ihn heute Morgen wiedergetroffen habe, als Verhältnis bezeichnen möchten, dann habe ich ein gutes Verhältnis zu Becher.«
    »Mehr war da nicht?«
    »Nein. Die Zeit war viel zu kurz, um ihn unsympathisch zu finden. Und eine Freundin hat er mir auch nicht ausgespannt.«
    »Werden Sie nicht witzig, ja!«, schnauzte sie mich an. »Hier geht es möglicherweise um einen versuchten Mord.«
    »Daran habe ich auch schon gedacht«, verriet ich ihr. »Jemand könnte mich benutzt haben, um Becher einen Denkzettel zu verpassen.«
    In ihrem schmalen Gesicht arbeitete es. Nach einer solchen Geschichte würden sich die Zeitungsleute die Finger lecken. Eine Chance, mindestens eine Gehaltsstufe nach oben zu klettern.
    Das Verhör war damit praktisch beendet. Kommissarin Tecklenburg ermahnte mich, in den nächsten Tagen Münster nicht zu verlassen, was ich ihr ohne Gewissensbisse zusichern konnte.
    Kurz darauf beobachtete ich, wie sie sich den Requisiten-Jungen vornahm, der mit seinem dicken Hintern in der geschnürten Lederhose aussah wie eine geplatzte Knackwurst. Nachdem Tecklenburg mit ihm fertig war, ähnelte er einer unglücklichen geplatzten Knackwurst.
    Die Aussage des Requisiten-Heinis war kein Geheimnis. Er hatte schon vorher zehnmal geschworen, dass er nichts anderes als Platzpatronen angefasst hätte.
    Die gesamte Filmcrew hing weiter im Wald herum. Nach Bechers unfreiwilligem Abgang waren zwar die für den heutigen Tag geplanten Szenen gestorben, aber niemand mochte sich so recht über die plötzliche Freizeit freuen. Insgeheim warteten wohl alle auf eine neue Sensation. Etwa in der Art, dass jemand aufspringen und schreien würde: »Ich war’s. Ich hasse Becher. Er soll sterben.« Und so weiter.
    Das geschah natürlich nicht. Viel wahrscheinlicher war auch, dass es sich tatsächlich um einen Unfall handelte. Wie sich herausstellte, war die Pistole gelegentlich von Sportschützen benutzt worden. Vermutlich steckte die Kugel also bereits seit längerer Zeit im Lauf, und der Requisiten-Typ hatte das, im Gegensatz zu seinen Beteuerungen, nicht kontrolliert.
    Ich beteiligte mich nicht an dem allgemeinen Getratsche und blieb weiter auf meinem Baumstumpf sitzen. Irgendwann stand Poppelhove neben nur.
    »Ich muss mit Ihnen reden.«
    »Tun Sie das!«, ermunterte ich den Produzenten.
    »Nicht hier. Lassen Sie uns ins Hotelrestaurant gehen.«
    Ich gab ihm zu

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