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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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einer nach dem anderen vernommen. Das Hotelfoyer verwandelte sich in ein Wartezimmer, mit einer ähnlich quälenden Atmosphäre wie bei einem Zahnarzt. Wir saßen oder lagen – einige schafften es tatsächlich, zu schlafen – auf allen gepolsterten Möbeln und starrten Löcher in die Luft.
    Kommissarin Tecklenburg gelang es sogar, Charly Rommersberger aufzuwecken. Er polterte die Treppe herunter, glotzte ungläubig in die Runde und schlurfte dann, hinter Tecklenburg her, in den Fürstenberg-Saal.
    Ich kam als Letzter an die Reihe, als es draußen schon dämmerte und die ersten Vögel Stimmübungen machten.
    Der Staatsanwalt nickte mir zu, Stürzenbecher schüttete sich zitternd die zweiundzwanzigste Tasse Kaffee ein, und Tecklenburg kontrollierte, ob ihr Kugelschreiber parallel zum Notizblock lag. Die drei sahen mindestens genauso fertig aus wie ich.
    »Nehmen Sie bitte Platz!«, sagte der Staatsanwalt. »Mein Name ist Peters. Die beiden anderen Herrschaften kennen Sie ja schon.«
    Peters war ein Kap-Staatsanwalt, das heißt, er stand auf Abruf bereit, falls sich irgendwo ein Kapitalverbrechen ereignete. Kap-Staatsanwälte, hatte ich mir von einer Staatsanwältin sagen lassen, neigten zum exzessiven Rauchen, zum exzessiven Trinken und zum frühen Herzinfarkt.
    »Sie waren früher Rechtsanwalt, Herr Wilsberg?«
    Ich nickte.
    »Dann können Sie sich ja denken, dass Sie zu unseren Hauptverdächtigen zählen. Sie waren an allen drei Unfällen oder Verbrechen beteiligt.«
    »Einspruch«, sagte ich. »Ich war in der Nähe, nicht beteiligt. Wie übrigens zwanzig andere auch. Aber im Gegensatz zu einigen anderen habe ich nicht das Fitzelchen eines Motivs, jemanden zu verletzen oder zu töten.«
    »Spielen Sie Ihre Rolle nicht herunter«, mischte sich Tecklenburg ein. »Sie haben auf den Schauspieler Karl-Heinz Becher geschossen.«
    »Wie ich Ihnen schon vor einigen Tagen sagte, Frau Tecklenburg, ich habe lediglich abgedrückt. Ich habe die Pistole nicht geladen. Woher sollte ich wissen, dass sich eine Kugel im Lauf befand?«
    »Das will ich Ihnen sagen: Bei der genauen Rekonstruktion des Tathergangs hat sich ergeben, dass Sie sich entgegen den Anweisungen des Regisseurs Rommersberger verhalten haben. Dieser hatte verlangt, dass Sie auf den Körper zielen, Sie aber haben ein Bein getroffen. Wieso, frage ich Sie?! Doch nur, weil Sie wussten, dass die Pistole scharf geladen war, und Sie im letzten Moment Skrupel bekamen.«
    »Es widerstrebt mir, auf Menschen zu schießen, auch wenn es sich nur um Spielzeugpistolen handelt.«
    Stürzenbecher guckte mich fragend an, der Staatsanwalt blätterte in seinen Unterlagen.
    »Wie ich sehe, Herr Wilsberg, sind Sie mehrfach vorbestraft, zuletzt wegen eines Sprengstoffanschlages in der Lambertikirche. Ihre Abneigung gegen Gewalt scheint nur punktuell ausgeprägt zu sein.«
    »Ich habe versucht, die Täterin von dem Sprengstoffanschlag abzuhalten. Das ist mir leider misslungen.«
    »Das Gericht sah das anders.«
    Sie taten ihren Job, bissen sich an mir fest, kauten auf meinen Aussagen herum, drohten mir, versuchten mich einzuschüchtern, boten mir Vergünstigungen für den Fall eines Geständnisses an, und dann ließen sie mich gehen. Was blieb ihnen anderes übrig? Sie hatten schließlich nichts in der Hand.
    Auf dem Flur hielt ich Stürzenbecher fest, der sich aus dem Verhör herausgehalten hatte. »Die Tecklenburg will mir an die Wäsche, stimmt’s?«
    »Nimm’s nicht zu schwer! Sie ist jung und scharf auf einen Ober vor ihrer Kommissarin.«
    »Was hab ich ihr denn getan?«
    »Sieh das mal von der polizeilichen Warte! Du bist der einzige Vorbestrafte weit und breit.«
    Ich ließ die Schultern hängen.
    Stürzenbecher gab mir einen aufmunternden Klaps. »Hau dich ein paar Stunden aufs Ohr! Ich werde auch versuchen, eine Stunde Schlaf zu kriegen. Zwei Polizisten bleiben in der Halle, für alle Fälle.«

XIV
    Als ich gegen zehn aufwachte, fühlte ich mich, als hätte ich auf der Rückbank meiner Ente geschlafen. Die rechte Schulter schmerzte, der Nacken war steif, und im Kopf klopfte und pochte es wie in einem Spechtnest. Als Sofortmaßnahme verordnete ich mir eine heiße Dusche, und nachdem ich fünf Minuten eingeweicht worden war, ging ich annähernd so locker durch meine Suite wie ein siebzigjähriger Showmaster über die Gala-Treppe des Fernsehstudios. Dann warf ich eine Kopfschmerztablette ein und stellte mich dem Kampf des Lebens, das heißt, ich fuhr hinunter in den

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