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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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reden. Der Rest war Formsache: Mitglied der grünen Ratsfraktion in Paderborn, Landtagskandidatin, allerdings zu tief auf der Reserveliste, Beigeordnete in Paderborn, schließlich, vor einem halben Jahr, Stadtkämmerin in Münster.«
    »Und was kommt als Nächstes?«
    »Ministerin in einem rotgrünen Landeskabinett, wer weiß.« Sie lachte. »Die Alt-68er sind inzwischen damit beschäftigt, ihre Rentenanträge auszufüllen. Und die Generation X hat zu lange in McJobs rumgegammelt, um uns heute schon gefährlich zu werden. Meine, die namenlose Generation ist zurzeit am Ruder, und das will ich ausnutzen.« Sie wurde ernst. »Falls der verdammte Killer meine Karriere nicht vorzeitig beendet.«
    »Was ich zu verhindern wissen werde«, gelobte ich.
    »Auf meinen Leibwächter!« In ihren Augen glitzerte es. Sie wirkte jetzt entspannt und locker.
    Wir plauderten noch eine Weile, und sie leerte, auch ohne meine Hilfe, die ganze Flasche Rotwein.
    Als sie beim letzten Tropfen angelangt war, sagte sie: »Ich finde, wir könnten mit dem blöden Sie aufhören. Ich meine, im Büro und wenn andere dabei sind, müssen wir die Form wahren. Aber unter uns …«
    »Gerne. Ich heiße Georg.«
    »Und ich Jutta.«
    Und dann war der Abend auch schon vorbei. Das heißt, ich ging zum Abschluss in die Küche, schmierte mir zwei Butterbrote, weil ich inzwischen einen Heißhunger verspürte, trug die Brote zum Schlafsofa im Wohnzimmer zurück, das mittlerweile wie ein richtiges Bett aussah, und verzehrte genüsslich die Stullen. Dann kratzte ich mich ein bisschen, cremte meine gereizte Haut mit einer Fettsalbe ein, vergewisserte mich, dass die Pistole unter dem Kopfkissen lag, wie sich das für einen richtigen Leibwächter gehörte, und schlief ein.

IV
    Am nächsten Morgen gabelten wir Axel Feldhaus, Juttas persönlichen Referenten, auf und fuhren zusammen Richtung Norden. Bei der Gebietsreform von 1975 waren der kreisfreien Stadt Münster etliche Dörfer und Weiher zugeschlagen worden, die auch heute noch nichts von ihrem ländlichen Charme und ihrer Langeweile eingebüßt hatten.
    Sobald wir den Schiffahrter Damm verließen, lag eine dünne Nebelschicht über den Wiesen und Feldern. An manchen Stellen dampfte es regelrecht, da die Frühherbstsonne noch kräftig genug war, den Dunst aufzulösen. Rinder und Pferde starrten uns an, und handgemalte Schilder annoncierten günstige Gelegenheiten zum Kartoffelkauf. Hier war die Welt noch in Ordnung, von der Überdüngung der Felder und dem rapiden Verfall der Rindfleischpreise abgesehen.
    »Wir sollten noch einmal die Argumentation durchgehen«, sagte Axel Feldhaus. Er hatte ein aufdringliches Aftershave aufgelegt, das das gesamte Wageninnere ausfüllte.
    »Ich halte mich zurück«, antwortete die Kämmerin. Sie blickte gedankenverloren auf die vorbeirauschende Einöde.
    »Die Oberbürgermeisterin wird versuchen, dich in die Pflicht zu nehmen.«
    »Ja, das wird sie«, sagte Jutta Rausch langsam. »Deshalb hat sie mich ja herbestellt. Sie möchte die Prügel nicht alleine beziehen, und nichts wäre für sie im Moment günstiger als eine Grüne, die die Position der SPD vertritt. Aber den Gefallen tue ich ihr nicht. Heiner Kleine-Langen ist auch da, und er vertritt den offiziellen Standpunkt der Grünen. Und ich werde einen Teufel tun, mich von ihm zu distanzieren.«
    »Du willst umschwenken?«, fragte Axel Feldhaus erstaunt. »Das wird unsere Lage in der Dezernentensitzung nicht verbessern.«
    »Das habe ich nicht gesagt.« Sie räusperte sich. »Meine Rede wird sein: Ja, ja, nein, nein. Weder Fisch noch Fleisch. Oder zu gut deutsch: Blabla.«
    »Was ist mit dir los?« Feldhaus warf mir einen Seitenblick zu. »Ist dir die Killergeschichte auf die Nieren geschlagen?«
    Rausch lachte. »Keine Sorge, Axel. Mein Leben ist in besten Händen.«
    Die roten Flecken auf Feldhaus’ Wangen wurden intensiver. »Wird Herr Wilsberg jetzt immer bei unseren Gesprächen zugegen sein?«
    »Sehen Sie darin ein Problem?«, schaltete ich mich in das Gespräch ein.
    »Es ist nicht meine Aufgabe, die Entscheidungen der Kämmerin zu kommentieren«, sagte er zickig.
    »Axel, Axel!«, tadelte ihn Rausch. »Herr Wilsberg ist in Ordnung. Das kannst du mir glauben. Und im Stadthaus werden wir weiterhin Gespräche unter vier Augen führen. Nur bei auswärtigen Terminen möchte ich ihn dabeihaben.«
    »Wie du meinst«, knurrte er verbissen.
    Ein Schild mit gelber Schrift auf grünem Grund zeigte an, dass wir uns Kappenstein

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