Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
und schaute Holthausen fragend an. Er reichte ihr das leere Glas. »Bring mir noch eins, Tamara!«
»Seien Sie vorsichtig!«, sagte ich. »Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Sie auf der Liste stehen.«
»Als was hat Jutta Sie eigentlich engagiert? Als Leibwächter?«
»Kein Kommentar.« Ich stand auf.
»Ich pass schon auf.« Er lachte. »Scheiße. Da läuft so ein Arschloch durch die Straßen und brennt darauf, dir ein Messer zwischen die Rippen zu schieben. Was ist das für eine beschissene Welt?«
Mit dieser Frage ließ ich ihn allein.
Jutta Rausch saß mit nassen Haaren und im Bademantel vor dem Fernseher. Im Regionalfenster des Dritten Programms lief der Beitrag über das Kappenstein-Projekt. Zu einem Kameraschwenk über Wiesen und Felder sagte die Off-Stimme der Reporterin: »In dieser Grünoase im Norden Münsters, nahe der Siedlung Kappenstein, soll die Global World des Global Artists -Konzerns entstehen. Dagegen regt sich der Protest einer Bürgerinitiative und von Umweltverbänden. Heute Morgen kam es …«
»Das Essen steht in der Küche. Du kannst es in die Mikrowelle schieben«, sagte Jutta, ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen. Beiläufig griff sie zu dem Weinglas, das auf dem Tisch stand.
Ich schaute mir den Beitrag zu Ende an. Nach kurzen Redeausschnitten der Podiumsteilnehmer folgte das Interview auf der Gasthoftreppe. Anschließend hatte sich die Reporterin unter dem Transparent Kein Hollywood in Kappenstein! ablichten lassen.
»Offenbar«, redete sie in die Kamera, »ist die Stadtverwaltung vom Ausmaß des Protestes überrascht. Anders lässt sich die vorsichtige Distanzierung der Kämmerin Rausch nicht deuten. Wird es vielleicht doch keine Global World in Kappenstein geben?«
Der Beitrag war zu Ende, und auf dem Bildschirm erschien ein kahlköpfiger, wippender Moderator.
Per Fernbedienung schaltete Jutta den Fernseher aus. »Sehr nett«, kommentierte sie.
»Du bist zufrieden?«
»Ich habe nichts anderes gewollt. Und wie war es bei Holthausen?«
»Er hat ebenfalls einen Anruf erhalten«, rief ich, während ich in die Küche ging. Die Nudeln und das Lammfleisch standen auf dem Tisch. Ich packte beides auf einen Teller.
»Was hat der Anrufer gesagt?« Jutta stand in der Küchentür.
»Du wirst dich erinnern.«
»Was?«
»Das hat der Anrufer gesagt.«
»Nicht sehr aussagekräftig.«
»Meinte Holthausen auch.« Ich stellte den Teller in den Mirkowellenherd.
Es klingelte an der Wohnungstür.
Ich schaute Jutta an. »Erwartest du Besuch?«
»Nein.«
Wir gingen zusammen zur Wohnungstür. Dabei tastete ich unauffällig nach der Pistole im Schulterhalfter.
»Wer ist da bitte?«, fragte Jutta in die Sprechanlage.
»Kriminalpolizei«, antwortete eine Stimme, die mir sehr bekannt vorkam. »Ich muss mit Herrn Wilsberg sprechen.«
»Und wie ist Ihr Name?«
»Stürzenbecher.«
Ich nickte ihr zu.
»Ich soll dich abholen«, sagte Stürzenbecher zu mir. Er wanderte durch das Wohnzimmer. »Eine schöne Wohnung haben Sie, Frau Kämmerin.«
»Warum?«, fragte ich.
»Lewandowski möchte sich mit dir unterhalten.«
»Und wie komme ich zu der Ehre, am späten Freitagabend?«
Stürzenbecher blieb vor mir stehen. »Es geht um Dirk Holthausen. Nach Aussage seiner Freundin hat er sich heute Abend mit dir getroffen.«
Ich spürte, wie das Blut aus meinem Kopf wich, und musste mich auf eine Sessellehne stützen. »Was ist passiert?«
»Alles Weitere erzähle ich dir unterwegs«, sagte der Hauptkommissar kurzangebunden.
»Warten Sie mal!«, meldete sich Jutta. »Dieser Mann ist mein Leibwächter. Sie können ihn nicht einfach mitnehmen.«
Stürzenbecher drehte den Kopf in ihre Richtung. »Keine Sorge, Frau Kämmerin, ich glaube nicht, dass der Killer zweimal pro Abend zuschlägt.«
»Dann ist Holthausen also ermordet worden?«, stammelte sie.
»Falls er sich nicht selbst einen Stein auf den Kopf gehauen hat, ja.«
»Und er hat nichts von einer weiteren Verabredung gesagt?«, fragte Stürzenbecher. Ich hatte ihn kurz über mein Gespräch mit Holthausen in Carlos’ Café informiert.
Ich verneinte. Wir fuhren auf der Hammer Straße stadtauswärts.
»Wo ist er eigentlich ermordet worden?«
»Das wirst du gleich sehen. Es ist nicht weit von hier. So wie es aussieht, hat Holthausen zunächst einen Unfall gebaut. Er hat einen parkenden Wagen gerammt, ist ins Schleudern geraten und auf dem Bürgersteig gelandet.«
»Das wundert mich nicht. Allein in der kurzen Zeit, in der wir
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