Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
wollen. Sie sind ein Bekannter von Conny, nicht?«
»Conny und ich kennen uns von früher. Ich bin Privatdetektiv, ich untersuche die Morde an Hennekamp und Dietzelbach.«
Seine Augenbrauen bildeten ein ironisches Dreieck. »Wollen Sie die Polizei arbeitslos machen?«
»Die Kämmerin hat mich engagiert. Aber das bleibt bitte unter uns.«
Er pfiff durch eine Zahnlücke. »Die Rausch hat wohl zu viel Geld, wie? Wovor hat sie denn Schiss?«
»Können Sie sich das nicht vorstellen?«
Er wich meinem Blick aus. »Nein.«
»Hennekamp und Dietzelbach haben sich für das Kappenstein-Projekt eingesetzt. Genau wie Jutta Rausch – und wie Sie.«
Die Kellnerin brachte sein Bier, ich bestellte ein Wasser.
Er nahm einen tiefen Schluck. »Mögen Sie keinen Alkohol?«
»Der Arzt hat ihn mir verboten.«
»Ich würde den Arzt wechseln.«
»Ein guter Tipp. Um auf das Kappenstein-Projekt zurückzukommen …«
»Ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen da helfen kann.«
»Wie war Ihr Verhältnis zu Hennekamp und Dietzelbach?«
»Wir haben häufig zusammengearbeitet. Die münsterschen Grünen sind ein ziemlicher Fundi-Verein, wissen Sie. Und wir, na ja, haben manchmal abweichende Meinungen vertreten. Da rückt man zwangsläufig zusammen. Rein politisch, verstehen Sie. Wir sind nicht zusammen in Urlaub gefahren oder so was.«
Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und setzte sie in Brand.
»Die Polizei glaubt, dass hinter den Morden ein politisches Motiv steckt. Linke Terroristen zum Beispiel, die grüne Verräter bestrafen wollen.«
»Schwierig zu sagen.« Er sog den Zigarettenrauch bis zur untersten Lungenspitze. »In Münster wimmelt es von Kappenstein-Anhängern. Warum ausgerechnet wir – und nicht die eigentlichen Befürworter in der SPD und der CDU? Abgesehen davon ist das Kappenstein-Projekt nun wirklich nicht wichtig genug. Da gäbe es andere und bessere Ziele. Und außerdem ist die Zeit der politischen Morde längst vorbei. Die RAF hat abgedankt, die revolutionären Zellen und die Autonomen begnügen sich damit, Strommasten bei Gorleben anzusägen. Wer sollte sich also die Mühe machen, ein paar unbedeutende Grüne in Münster zu liquidieren?«
»Das ist die Frage.«
»Die ich Ihnen nicht beantworten kann. Ich bin genauso ratlos wie Sie.« Er vernichtete den Restalkohol in seinem Bierglas.
»Haben Sie mit Hennekamp und Dietzelbach vor deren Tod gesprochen? Fühlte sich einer von beiden bedroht?«
»Soviel ich weiß: Nein.«
»Haben Sie selbst Drohungen erhalten?«
Er klimperte mit den Augenlidern und guckte dann auf den Tisch. »Nein.«
»Sie sagen mir nicht die Wahrheit«, setzte ich nach.
»Es hat wahrscheinlich überhaupt nichts zu bedeuten.«
»Erzählen Sie es trotzdem!«
Er stöhnte. »Gestern Abend bekam ich einen anonymen Anruf. Von einem Mann. Das ist an und für sich nichts Besonderes. Ich bin schon öfter am Telefon beschimpft worden. Sie halten es nicht für möglich, wem man in der Kommunalpolitik alles auf die Füße treten kann: Gesamtschulgegnern, Kaufleuten, die um die Parkplätze vor ihrem Laden fürchten …«
»Was sagte der Mann?«, unterbrach ich ihn.
»Ja, das ist das Merkwürdige. Er sagte nur einen Satz: ›Du wirst dich erinnern.‹ Mehr nicht. ›Du wirst dich erinnern.‹ Dann legte er auf.«
»Kam Ihnen die Stimme bekannt vor?«
Holthausen kraulte seine lockige Mähne. »Spontan ist mir niemand eingefallen. Aber am Telefon klingen die Stimmen sowieso anders. Und es waren nur diese vier Worte.«
»Haben Sie eine Idee, was der Mann damit gemeint haben könnte?«
»Fragen Sie mich was Leichteres! Ich bin jetzt zweiundvierzig und kann mich an eine Menge Sachen erinnern. Ich weiß nicht, wie vielen Leuten ich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren in die Quere gekommen bin. Fünfzig oder ein paar mehr werden es wohl sein. Vermutlich ist die Lösung aber viel einfacher: Der Typ hat sich verwählt und aufgelegt, als er es merkte.«
Der Ratsherr lehnte sich zurück und fischte eine neue Zigarette aus der Schachtel. Seine Finger zitterten, als er das Streichholz entzündete. Er war nervöser, als er zugeben wollte.
Ich spürte, wie der Hunger in meinem Magen rumorte. Und Holthausen würde mir nicht mehr viel zu bieten haben. Im Vergleich mit Nudeln und Lammfleisch.
Ich winkte der Kellnerin.
»Sie wollen schon gehen?«, erkundigte er sich.
»Ja. Ich habe noch eine Verabredung.«
»Mit Jutta?« Er grinste anzüglich.
»Berufsgeheimnis.«
Die Kellnerin kassierte
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