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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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wenn wir neue bekommen. Außerdem möchte ich, dass seine Kleidung untersucht wird.«
    »Wozu?«, fragte ich.
    »Reine Routine.«
    Ich wusste, dass sie nach Spuren von Goldfarbe suchten, aber das musste ich ihnen ja nicht auf die Nase binden.
    Ein maulfauler junger Kriminalbeamter brachte mich zum Polizeipräsidium. Meine Fingerabdrücke wurden genommen, und dann durfte ich zwei Stunden in Unterwäsche vor den Labors antichambrieren, während sie drinnen jede Falte meiner Jeans unter die Lupe oder unter was auch immer nahmen. Damit ich der Umwelt keinen erschreckenden Anblick bot und um mich vor Unterkühlung zu bewahren, hatte man mir eine muffige Wolldecke gereicht, in die ich mich hüllte. Ich versuchte, nicht daran zu denken, wie viele Delinquenten die Decke vor mir benutzt hatten. Mittlerweile hatte ich auch schon so lange nichts mehr gegessen, dass ich keinen Hunger mehr spürte.
    Nach zwei Stunden bekam ich meine Sachen zurück. Erstaunlicherweise waren sie nicht in Säurebäder getaucht oder zu kleinen Flicken zerschnitten worden.
    Als ich mich angezogen hatte, ließ sich Stürzenbecher blicken. Er war seit rund achtzehn Stunden im Dienst und sah aus, als würde er sofort einschlafen, sobald er sich an eine Wand lehnte.
    »Komm, ich bring dich nach unten!«, murmelte er.
    »Habt ihr was gefunden?«, erkundigte ich mich.
    »Was sollen wir denn gesucht haben?«
    »Goldfarbe, zum Beispiel.«
    Er blinzelte. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Glaubst du, dass das eine vom Mörder bewusst gewählte Metapher ist? Etwa: Wer sich in der Politik eine goldene Hand verdient, gehört gekillt. Oder: Steck deine Hand nicht in die Goldtöpfe anderer Leute!«
    »Keine Ahnung«, knurrte Stürzenbecher.
    »Jedenfalls deutet alles darauf hin, dass die Morde mit Korruption zu tun haben.«
    »Du denkst und redest zu viel«, stellte Stürzenbecher fest. Inzwischen waren wir mit dem Aufzug im Foyer angekommen. »Übrigens wissen wir jetzt, wo Holthausen hinfahren wollte, und auch, wie’s gelaufen ist. Unter den Frauen, die in seinem Notizbuch stehen, haben wir eine gefunden, die auf ihn gewartet hat. Sie wohnt in Gremmendorf, was die Fahrtstrecke erklärt. Außerdem haben wir Lackspuren eines unbekannten Fahrzeugs am linken Kotflügel von Holthausens Wagen entdeckt. Der Mörder muss vor Carlos’ Café auf Holthausen gewartet haben. Er ist ihm gefolgt, auf der unbelebten Straße zwischen Berg Fidel und Gremmendorf hat er ihn abgedrängt und so den Unfall provoziert. Dann hat er den bewusstlosen oder vom Unfall geschockten Holthausen mit einem Stein erschlagen.«
    »Lag ein passender Stein in der Nähe?«, fragte ich.
    »Nein, er hat ihn mitgebracht.«
    »Findest du das nicht merkwürdig?«
    »An diesem Fall erstaunt mich überhaupt nichts mehr«, sagte Stürzenbecher lakonisch und entließ mich in die kalte Nachtluft.
    So warm es tagsüber auch noch wurde, so unerbittlich schlug der Herbst in der Nacht zu. Ich fror in meinem dünnen Jackett und sehnte mich nach einer gepflegten Nachtruhe in meinem eigenen Bett. Vom Polizeipräsidium aus waren es fünf Minuten Fußweg zu meiner Wohnung im Kreuzviertel, dagegen würde ich bis zur Wohnung der Kämmerin einen halbstündigen Fußmarsch absolvieren müssen.
    Ich schwankte ein paar Sekunden, dann siegte die Pflichterfüllung. Was wären die Deutschen ohne ihre Sekundärtugenden?
    Durchgefroren und völlig fertig kam ich bei Jutta an. Nach meiner ersten Nacht bei ihr – wenn man das bei einem Leibwächter so nennen konnte –, hatte sie mir einen Haus- und Wohnungsschlüssel gegeben, den ich jetzt zum Einsatz brachte. Ich öffnete die Haustür, stieg die Treppe zur ersten Etage hinauf und schloss die Wohnungstür auf. Ich bewegte mich leise und schaltete das Licht nicht ein, weil ich sie nicht aufwecken wollte. Und ich dachte an nichts, vor allem an nichts Böses. Umso überraschter war ich, als plötzlich eine männliche Gestalt vor mir auftauchte.
    Der Adrenalinausstoß reaktivierte meine Gehirntätigkeit. Verdammt, wie konnte ich nur so unvorsichtig sein? Anstatt meinen Job zu tun, lief ich dem Grünen-Killer in die Arme.
    Ich wollte die Pistole aus dem Halfter reißen – und griff ins Leere. Natürlich, ich hatte sie bei Stürzenbecher vergessen.
    Die männliche Gestalt machte eine drohende Bewegung auf mich zu. Vermutlich hatte der Grünen-Killer wieder etwas zum Stechen, Schlagen oder Würgen dabei. War das das Ende?
    Das Licht ging an, und Jutta schob sich neben die männliche

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