Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
Vom Netzwerk:
die Ereignisse des gestrigen Abends. Inzwischen begriff ich, dass das eine besondere Eigenschaft von ihr war: Sie konnte bruchlos von einer Rolle in die andere wechseln. Und sie schien sich in allen Rollen gleich wohlzufühlen.
    Als wir durch den Flur des Stadthauses schritten, sah ich jenseits der Glasfront Axel Feldhaus, der mit hektischen Schritten den Rathausinnenhof überquerte. Plötzlich fiel mir wieder ein, was ich Jutta die ganze Zeit hatte fragen wollen.
    »Sag mal, welche Beziehung besteht eigentlich zwischen Axel Feldhaus und Heiner Kleine-Langen?«
    Sie guckte mich erstaunt an. »Zwischen Axel und Heiner? Keine.«
    Ich erzählte ihr, wie ich die beiden in der Herrentoilette der Global World beim vertraulichen Gespräch erwischt hatte.
    Sie fand dafür keine Erklärung.
    Conny öffnete nach dem ersten Klingeln.
    »Du bist unvorsichtig«, begrüßte ich sie mit einem Kuss auf die Wange.
    »Ich habe gesehen, wie du auf der anderen Straßenseite geparkt hast.«
    Mir fiel auf, dass das Kindergeschrei fehlte.
    »Dominik ist in der Kindergruppe, und Jana schläft im Moment. Ich hoffe, das bleibt noch eine halbe Stunde so.«
    Sie führte mich in die Küche, und ich trank den zweiten Kaffee dieses Morgens. Sehnsüchtig starrte ich zum Kühlschrank.
    »Hast du Hunger?«
    Mein Magen antwortete mit einem Grummeln.
    Conny holte Brot, Margarine und Aufschnitt heraus, und ich schmierte mir zwei Butterbrote, die ich dick mit Käse belegte.
    Nach dem ersten Brot fühlte ich mich wohler. »Jutta hat mir alles erzählt.«
    »Du sagst Jutta zu ihr? Seid ihr euch schon so nahegekommen?«
    Der eifersüchtige Unterton war nicht zu überhören.
    »Schlaft ihr auch miteinander?«
    »Conny, ich bitte dich!«
    Sie schwieg beleidigt. Ich nahm das zweite Brot in Angriff und startete einen Ablenkungsversuch: »Schmeckt köstlich. Ist das Brot vom Biobäcker?«
    »Es heißt AOK-Brot.«
    »Gibt es auch ein Barmer-Ersatzkassen-Brot?«
    Ihre Gesichtsmuskeln lockerten sich ein wenig. »Sie hat dir also alles erzählt, wie? Und mich hat sie zum Schweigen verdonnert. Das ist typisch Jutta. Erst stellt sie Regeln auf, dann verkündet sie mit der größten Selbstverständlichkeit das Gegenteil. Ich hätte es mir denken können. Sie war schon damals so.«
    »Bei KPD/ML/O?«
    »Was glaubst du, wer auf die Idee gekommen ist, das Geld unter möglichst wenigen aufzuteilen?«
    Es war eine rhetorische Frage.
    »Jutta war die linientreueste Genossin«, höhnte Conny, »und hinterher war sie der größte Raffzahn. Natürlich möchte sie heute den Deckel drauf halten. Die alte Geschichte wäre eine hässlicher Fleck auf der makellosen Bluse der Stadtkämmerin. Mehr als alles andere fürchtet sie einen Karriereknick.«
    »Du hast auch davon profitiert«, erinnerte ich sie.
    »Das Geld liegt auf einem eigenen Konto. Ich habe nur einmal etwas abgehoben – als Dieter, mein Mann, arbeitslos war. Ich wollte nicht, dass die Kinder darunter litten. Ansonsten habe ich keinen Pfennig davon angerührt. Du kannst mich für bescheuert halten, aber ich hatte Gewissensbisse.«
    »Das verstehe ich nicht. Wenn du dagegen warst, das Geld zu privatisieren, hättest du dich doch der Minderheitsfraktion anschließen können.«
    »Damals, in der KPD/ML/O, war ich ein graues Mäuschen und Jutta mein großes Vorbild. Ich bin ihr blindlings gefolgt. Erst später setzte das eigene Denken ein. Ich habe den dreien sogar angeboten, meinen Anteil mit ihnen zu teilen, aber sie haben abgelehnt.«
    Ich musste die Frage stellen. »Hältst du es für möglich, dass einer von ihnen der Mörder ist?«
    Sie wich meinem Blick aus. »Darüber habe ich mir in den letzten Tagen den Kopf zermartert. Menschen können sich verändern. Es sind fast zwanzig Jahre vergangen, seit jener Zeit.«
    »Conny!« Ich wartete, bis sie mich anschaute. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. »Wer ist dein Kandidat?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie schniefte. »Mit Katja und Lars habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesprochen. Und Heiner traue ich es nicht zu.«
    Aus den hinteren Räumen der Wohnung kam ein Wimmern, das sich zu einem Heulton steigerte.
    »Entschuldige, Georg, ich muss mich um Jana kümmern.«
    Ich nahm sie in den Arm und drückte sie an mich.
    »Hast du noch Zeit?«, flüsterte sie.
    »Nein, ich muss gehen.«
    Die Druckerei, in der Heiner Kleine-Langen arbeitete, befand sich in Klein-Muffi, einem Viertel zwischen Wolbecker Straße und Stadthafen. Seinen Namen hatte es von den

Weitere Kostenlose Bücher