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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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ein.
    »Was werfen Sie ihr konkret vor? Beim Kappenstein-Projekt hat sie doch einen Rückzieher gemacht.«
    »Sie hat keine Visionen. Sie ist eine Macherin. So ähnlich wie Joschka Fischer im Bundestag. Das ist gut fürs Fernsehen und fürs Renommee. Aber glauben Sie, Fischer hat noch ein anderes Ziel, als Außenminister in einer rot-grünen Bundesregierung zu werden?«
    »Haben Sie Visionen?«
    Er verzog den Mund. »Das ist eine gute Frage. Meine alten habe ich über Bord geworfen. Verstaatlichung und Planwirtschaft sind keine Lösung. Aber andererseits … Sehen Sie, es kann doch nicht richtig sein, dass unsere Gesellschaft Konsumgüter im Überfluss produziert und gleichzeitig vier Millionen Menschen arbeitslos sind. Dass die einen nicht wissen, was sie mit ihren Milliarden anfangen sollen, und die anderen Probleme haben, das Monatsende zu erreichen. Es müsste eine gerechtere Verteilung von Arbeit und Gütern geben.«
    »Beteiligen Sie sich nicht selbst an dieser Entwicklung, wenn Sie neue Druckmaschinen anschaffen, die weniger Arbeitskraft erfordern?«
    »Ja. Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Als Betrieb müssen wir nach kapitalistischen Kriterien funktionieren, oder die Konkurrenz drängt uns vom Markt. Wovon ich rede, ist ein gesellschaftlicher Entwurf. Der ist, das gebe ich gerne zu, derzeit nicht in Sicht.«
    Ich beschloss, ihn zu überraschen. »Haben Sie Alibis für die Tatzeiten?«
    »Nein. Ich war zu Hause, allein.« Er grinste überheblich. »Ich sehe, wie es in Ihrem Detektivgehirn arbeitet. Noch einmal, Herr …«
    »Wilsberg.«
    »… gehen Sie zur Polizei, erzählen Sie denen, was Anno 1978 vorgefallen ist! Ich denke, für eine vorläufige Verhaftung würde es wohl reichen. Zu mehr allerdings nicht. Denn man wird mir nichts nachweisen können.«
    Ich begriff, worauf er hinauswollte. »Und es würde Sie nicht stören, wenn die Kämmerin über die Geschichte stürzen würde.«
    »Das kann passieren«, sagte er mit ausdruckslosem Gesicht.
    »Was wissen Sie von den beiden anderen?«
    »Zu Katja Imhoff-Kaltenbrunn habe ich noch sporadischen Kontakt. Sie lebt jetzt in Kattenvenne. Hat dort eine psychotherapeutische Praxis. Ein gut gehendes Geschäft, soviel ich weiß. Der gehobene Mittelstand – Juristen, Lehrer, Beamte – pilgert zu ihr, um sich seine Neurosen wegtherapieren zu lassen. Nebenbei gibt sie Seminare für Manager. Entspannungsübungen für die Zeiten zwischen Vorstandssitzung, Mobbing der Sekretärin und dem Rausschmiss von hundert Mitarbeitern. All der Scheiß. Managerseminare sind die reinste Goldgrube. Die gute Katja hat keine Probleme mit Geld, sie hat höchstens ein Problem mit dem Finanzamt. Ich glaube nicht, dass sie sich noch über zwanzig- oder dreißigtausend Mark aufregt, die ihr vor ewigen Zeiten entgangen sind.«
    »Und was ist mit Lars Merten?«
    »Fragen Sie Katja! Die kennt ihn besser. Sie hat mal erzählt, dass sie seinen Kopf aufgesägt haben.«
    »Wieso?«
    »Ein Tumor oder so was. Ich kenn mich da nicht aus. Seine Konzentrationsschwierigkeiten und seine Vergesslichkeit wurden immer schlimmer. Schließlich hat man etwas in seinem Gehirn festgestellt.«
    »Das heißt, Sie wissen nicht, ob, wo und wie er lebt?«
    »Das stimmt. Aber ich kenne Lars. Er ist ein lieber Bursche. Es ist ausgeschlossen, dass er herumläuft und Menschen umbringt.«
    Wir waren wieder an der Hintertür der Druckerei angelangt.
    »Ich muss ein bisschen Mehrwert schaffen«, sagte Kleine-Langen. »Wenn Sie um das Haus herumgehen, stehen Sie schon auf dem Parkplatz.« Er gab mir die Hand. »Und grüßen Sie Katja von mir!«
    Kattenvenne lag, wie ich meiner Autokarte entnahm, ziemlich genau in der Mitte zwischen Münster und Osnabrück. Es gab keine direkte Verbindung dorthin, so musste ich mich erst nach Telgte bequemen, auf die B 51 Richtung Georgsmarienhütte abbiegen, mich in Ostbevern verfahren und eine Passantin fragen, bis ich die schmale Allee fand, die zum Dorf Kattenvenne führte.
    Auf den letzten Kilometern brach der erste Herbststurm des Jahres los. Windböen schüttelten mein altersschwaches Gefährt und knackten trockene Äste von den Bäumen. Dann folgte ein peitschender Regen, der den Scheibenwischern das Letzte abverlangte. Ich fragte mich, wie Katja Imhoff es schaffte, in dieser abgelegenen Gegend genügend Patienten zu finden.
    Die Antwort war gar nicht so schwer zu erraten. Als ich über den schmalen Weg rollte, der die dichte Kiefernschonung durchschnitt, kam mir der dahinter

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