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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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holländischen Fremdarbeitern, die hier mal gewohnt hatten. Die Münsteraner nannten sie Muffen.
    Im Inneren der Druckerei herrschte ein höllischer Lärm. Es dauerte eine Weile, bis ich Kleine-Langen entdeckte. Er beugte sich über einen Stoß Papierbögen, die eine Druckmaschine ausspuckte.
    Er bemerkte mich erst, als ich neben ihm stand. »Der Privatdetektiv. Auf einer heißen Spur, nehme ich an.«
    »Vielleicht.«
    Er richtete sich auf und wischte die Hände an einem Lappen ab. Im T-Shirt sah er größer und kräftiger aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Sein markantes Kinn schimmerte bläulich. Er gehörte zu der Sorte Männer, die sich zweimal am Tag rasieren und trotzdem unrasiert wirken.
    »Sie haben Glück, dass Sie mich hier erwischen. Normalerweise arbeite ich im Büro. Aber heute ist einer der Jungs ausgefallen. Und ab und zu stelle ich mich gerne an eine Maschine. Schauen Sie sich diese Heidelberger an!« Er schlug auf die blanke Metallfläche. »Ein dreißig Jahre altes Schätzchen. Druckt noch wie eine Eins. Das ist echte deutsche Wertarbeit. Ein Computer wird nach fünf Jahren abgeschrieben, eine Heidelberger erst nach fünfzig. Und dann kann man sie immer noch nach Malaysia verkaufen. Wenn Sie sie unbedingt gegen diesen neumodischen Schnickschnack tauschen wollen, Druckmaschinen, für die man keine Filme und Druckplatten mehr benötigt, sondern nur noch eine Diskette oben reinschieben muss.«
    »Gehört Ihnen die Druckerei?«
    »Zum Teil. Ich habe meine Magisterarbeit über die Druckkunst geschrieben. Dadurch bin ich auf den Geschmack gekommen. Theorien sind flüchtig, man kommt nie zu einem endgültigen Ergebnis. Beim Drucken hat man irgendwann ein fertiges Produkt in der Hand, ein Buch, eine Zeitschrift, ein Plakat. Und das ist ein erhebender Moment. Nach dem ganzen Palaver bei Ratssitzungen und anderen Veranstaltungen stehe ich am liebsten ein paar Stunden ganz still in der Druckerei. Und als sich die Gelegenheit ergab, bin ich hier eingestiegen. Eine Druckerei zu besitzen, war schon immer mein Traum.«
    »Ich weiß.«
    Er kniff die Augen zusammen. »Ah! Jutta hat Ihnen die alte Geschichte erzählt.« Mit einer Handbewegung signalisierte er einem jungen Burschen in Latzhose, ein Auge auf die Maschine zu werfen. »Kommen Sie!«, wandte er sich an mich. »Gehen wir nach draußen! Da ist es ein bisschen ruhiger.«
    Unterwegs schnappte er einen zerschlissenen Blouson von einem Schemel. Wir verließen die Halle durch die Hintertür – und standen direkt am Dortmund-Ems-Kanal. Die Uferbefestigung war menschenleer. Nicht weit von hier hatte Berthold Dietzelbach seinen Mörder getroffen.
    »Da lang!« Kleine-Langen nickte in die Richtung eines verrosteten Verladekrans.
    Ich nahm mir vor, mich von den äußeren Umständen nicht beeindrucken zu lassen. »Eine nette Nebelkerze war das, die Sie da abgebrannt haben.«
    »Was meinen Sie?«
    »Die Geschichte von den Rechtsradikalen, die Jagd auf Grüne machen.«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich halte die These nach wie vor für die realistischste.« Er blieb stehen, hinter seinem Rücken fuhr ein Frachtschiff vorbei. »Natürlich ist mir die frappante Übereinstimmung mit der Konstellation unserer K-Gruppe aufgefallen. Aber ich weiß, dass ich nicht der Mörder bin. Und für die anderen beiden lege ich meine Hand ins Feuer. Trotzdem, ich würde es Jutta nicht verübeln, wenn sie mit der alten Kamelle zur Polizei ginge. Ich selbst kann das ja wohl schlecht machen, oder?«
    »Sie mögen Jutta Rausch nicht besonders?«
    Wir schlenderten weiter.
    »Das würde ich nicht dementieren.«
    »Und doch haben Sie dazu beigetragen, dass sie in Münster Stadtkämmerin wird.«
    Er machte eine ärgerliche Handbewegung. »Meine Favoritin war sie nicht. Wissen Sie, die Politik ist ein kompliziertes Geschäft. Nicht die Besten und Brillantesten kommen in die höchsten Ämter, sondern die, die für möglichst viele den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen. Das Resultat ist die Mittelmäßigkeit, die Sie auf allen Ebenen antreffen. Als Frau, die Ahnung von Finanzen hat und auch noch reden kann, war Jutta praktisch nicht zu verhindern. Außerdem haben wir einen Koalitionspartner. Und nach den Vorstellungsgesprächen zeigte sich die SPD geradezu begeistert von ihr. Was mich übrigens nicht wundert, denn inzwischen macht Jutta astreine SPD-Politik.«
    Wir hatten den Verladekran erreicht, der als trauriges Industriedenkmal in den Himmel ragte. Kleine-Langen schlug den Rückweg

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