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Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt

Titel: Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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Wir beide wussten es. Es war ein Bann, den wir nicht brechen durften.
    Wir waren nicht mehr jung und nicht besonders schön. Es gab nichts, das uns ablenkte. Wir genossen einfach, was wir taten. Unsere Münder suchten ohne Scham den Körper des anderen, leckten und saugten. Jutta setzte sich auf mich, ich packte ihre Brüste, während sie sich auf und ab bewegte.
    Wir rutschten in eine Zeitspalte, in eine Auszeit von der Welt. Eine Stunde oder länger existierte nichts außer uns. Und dann war es vorbei. Wie bei einem Tiefseetaucher, der an die Meeresoberfläche zurückkehrt, sickerten die Gedanken in unser Bewusstsein.
    »Ich weiß, was du sagen willst«, sagte Jutta.
    »Ich wollte nichts sagen.«
    Sie legte sich auf den Rücken. »Kannst du dir vorstellen, dass ich drei Jahre lang, während meiner aktivsten Zeit in der KPD/ML/O, keinen Sex hatte? Ich habe ihn nicht einmal vermisst.«
    »Aber du hast es nicht verlernt.«
    Sie lachte. »Eigentlich bin ich erst später auf den Geschmack gekommen. Vorher war ich ein schüchternes, verklemmtes Mädchen. Ich fand mich hässlich. In der Schule haben sie Bohnenstange zu mir gesagt. Ich mochte meinen großen, knochigen Körper nicht, die riesige Nase und das lange Kinn.«
    »Du bist schön«, sagte ich.
    »Ich habe meinen Körper akzeptiert. Und auf einmal fanden ihn auch Männer interessant. Es lag an meinem erwachten Selbstbewusstsein, glaube ich.«
    »Schönheit ist zu achtzig Prozent eine Frage der Ausstrahlung.«
    »Findest du?«
    »Sicher.« Ich stützte den Kopf auf und fuhr mit dem Finger über ihre Brust.
    »Wir reden die ganze Zeit über mich. Von dir weiß ich fast nichts.«
    »Da gibt es nicht viel zu erzählen.«
    »Hast du Kinder?«
    »Ein Mädchen. Ich bin verheiratet und lebe von meiner Frau getrennt«, nahm ich ihre nächsten Fragen vorweg.
    »Ich hatte nie Zeit für Kinder. Die Arbeit ging immer vor. Mutter und Karriere, das passt nicht zusammen. Männer haben es da einfacher.«
    »Nicht alle«, widersprach ich. »Ich bin ein Mann und habe keine Karriere gemacht.«
    »Weil du es nicht wolltest.«
    »Ich glaube, weil ich zu faul bin. Sage ich in ehrlichen Momenten. Ansonsten behaupte ich, dass ich mich nicht anpassen kann.«
    Sie kuschelte sich an mich. »Im Nachhinein kann ich nicht verstehen, warum ich es so lange in der KPD/ML/O ausgehalten habe. Es war eine gigantische Zeitverschwendung. Aber eines habe ich gelernt: hart und diszipliniert zu arbeiten. Das hat mir später immer geholfen.«
    Nun wusste ich wenigstens, dass ich es meinem Spontidasein an der Uni zu verdanken hatte, dass ich nur ein unbedeutender Privatdetektiv geworden war.
    Sie streichelte mich. »Du hast eine sehr trockene Haut.«
    »Ich habe Neurodermitis.«
    »Ach. Seit wann?«
    »Seit meiner Geburt.«
    »Ist das unangenehm?«
    »Nur wenn es juckt.«
    Es wurde kühler.
    »Gehen wir ins Schlafzimmer?«, schlug Jutta vor.
    »Wenn du nichts dagegen hast, schlafe ich lieber hier auf dem Sofa.«
    »Warum?«
    »Männer und Frauen passen nicht zusammen in ein Bett.«
    »Was für ein Quatsch.«
    »Ich schnarche.«
    »Das ist ein Argument.«
    Außerdem musste ich mich noch kratzen und einschmieren. Und auch das erledigte ich lieber allein.

X
    Kaffeeduft weckte mich. Ich zog mich an und suchte die Quelle. In der Küche traf ich auf Jutta, die bereits ihre Arbeitskleidung trug, ein perlgraues Tweed-Kostüm. Vor sich hatte sie eine Schale mit Müsli aufgebaut, rechts davon stand eine Tasse Kaffee, links lag die aktuelle Ausgabe der Münsterschen Nachrichten .
    Ich küsste sie in den Nacken und bemerkte den braunen Haaransatz unter ihren grauen Haaren.
    »Hey, du bist ja gar nicht so grauhaarig, wie du vorgibst.«
    »An einigen Stellen schon. Ich muss die Haare mal wieder nachfärben lassen.«
    Bis dahin hatte ich nur Frauen gekannt, die ihre grauen Haare ausrupften oder umfärbten.
    »Grau wirkt interessant«, klärte mich Jutta auf. »Es verschafft mir Respekt. Vor allem die Männer, mit denen ich dienstlich zu tun habe, kriegen so einen ehrfurchtsvollen Blick. Willst du ein Müsli?«
    »Nein, danke. Ich glaube, ich begnüge mich vorläufig mit Kaffee.«
    Ich zog eine Tasse Kaffee aus der Kaffeemaschine und schnappte mir den Sportteil der Nachrichten . Lothar Matthäus beschwerte sich darüber, dass er noch nicht zum Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft ernannt worden war.
    Nach zehn Minuten drängte Jutta zum Aufbruch. Auch auf der Fahrt zum Stadthaus verloren wir kein Wort über

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