Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
ist?«, zischte sie empört. »Das waren die ersten Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD. Ich hab’s ja vorhergesagt: Das Kappenstein-Projekt führt zur großen Koalition.«
»Na ja, wenn ihr Windmühlen auf dem Prinzipalmarkt bauen wollt.«
»Sei vorsichtig, Georg! Ich bin schon geladen genug.«
»Dann schlage ich vor, dass wir zum gemütlichen Teil des Abends übergehen. Ich hatte auch einen langen Tag.«
»Ich nehme an, Sie brauchen mich nicht mehr«, ließ sich Feldhaus blasiert vernehmen.
»Richtig, Axel. Sie können gehen«, entschied ich.
»Sie haben mir überhaupt nichts zu sagen«, meckerte er zurück.
Jutta verdrehte die Augen. »Am liebsten würde ich euch beide auf den Mond schießen.«
Wir saßen in Juttas Wohnzimmer, der CD-Player fingerte eine alte Aufnahme von Sting ab.
»Mit anderen Worten«, schloss ich meinen Bericht über die Begegnung mit Lars Merten, »wir sind so schlau als wie zuvor.«
Jutta nahm ein Schlückchen Rotwein. »Ich habe mit meinem Mann gesprochen.«
»Über uns?«, fragte ich erschrocken.
»Bist du wahnsinnig? Mir reicht der Ärger, den ich am Hals habe. Jochen hat mir geraten, mein Amt aufzugeben.«
Ich schwieg.
»Der Gedanke hat einiges für sich. Man wird mich nicht durch den Kakao ziehen, und ich bin außer Gefahr.«
»Das ist vermutlich richtig«, sagte ich.
Sie seufzte. »Aber ich will nicht. Ich habe noch nie klein beigegeben. Vor einem bescheuerten Killer kapituliert zu haben, würde ich mir nie verzeihen.« Sie versuchte ein Lächeln. »Sei ehrlich, Georg! Was würdest du an meiner Stelle tun?«
»Sofort nach Lanzarote fliegen und dort eine Kneipe aufmachen. Zusammen mit einem Spanier.«
Sie zog eine Schnute.
»Ich habe zu wenig Ahnung von Politik, um die Folgen abschätzen zu können«, fügte ich erklärend hinzu. »Und ich kann nicht dafür garantieren, dass du am Leben bleibst. Also wäre es doch vermessen von mir, dir zu raten, die Sache durchzustehen.«
Auf ihrem Gesicht lag eine große Müdigkeit. Aber in den Augen funkelte der Widerstandsgeist. »Du musst etwas übersehen haben.«
Das Trauma jedes Detektivs. Die Lösung liegt vor einem, doch man sieht sie nicht. Während die Bebauungspläne an mir vorbeiplätscherten, hatte ich darüber gegrübelt. »Ich glaube nicht an Links- oder Rechtsterroristen. Die Morde müssen mit der KPD/ML/O-Geschichte zusammenhängen.«
»So weit warst du schon vor zwei Tagen.«
»Ja. Und natürlich habe ich mich auf die gestürzt, die bei der wundersamen Geldverteilung übergangen wurden. Von den Profiteuren kenne ich nur Holthausen, Conny und dich.«
Jutta winkte ab. »Was soll das bringen?«
»Das weiß man vorher nie.«
»Jens Heinrich ist in Australien.«
» War in Australien, als du zuletzt von ihm gehört hast«, korrigierte ich sie. »Und was ist mit dem Werbemenschen?«
»Ulf Meier? Er hat mich mal irgendwann angerufen. Aus Warendorf oder Coesfeld.«
Ich zog die Gelben Seiten zurate. Ulf Meiers Werbeagentur artconcept residierte in Warendorf.
XIV
Diesmal war ich zuerst in der Küche. Ich munitionierte die Kaffeemaschine und suchte in den Schränken nach Tellern und Tassen, die einigermaßen zueinander passten.
Als ich den Tisch gedeckt hatte, kam Jutta hereingeschlurft. »Morgen!«, murmelte sie, ohne den Blickkontakt zu suchen. »Ich hab Kopfschmerzen. Dabei ist der Wein doch wirklich gut.«
»Manchmal kommt es auch auf die Menge an«, belehrte ich sie sanft.
Das Telefon klingelte. Ich ging in den Flur und nahm ab. Mein Busenfreund war dran.
»Eigentlich wollte ich mit Ihnen ja nicht mehr reden«, meckerte Axel Feldhaus.
»Bemühen Sie sich nicht, übertrieben freundlich zu wirken«, sagte ich. »Ich mag Ihre raue und herzliche Art.«
»Hat die Kämmerin schon die Münsterschen Nachrichten gelesen?«
»Nein. Sie war damit beschäftigt, meinen Kaffee zu kochen.«
»Sie Arschloch! Sagen Sie ihr, sie soll den Artikel über die gestrige Ratssitzung lesen! Er enthält einige unangenehme Details.«
Der Hinweis war überflüssig. Als ich in die Küche zurückkam, hielt Jutta bereits den Lokalteil der Münsterschen Nachrichten in der Hand. Sie zitterte stärker als vor drei Minuten.
»Das darf nicht wahr sein!«
»Was denn?« Ich beugte mich über ihre Schulter. Die fette Zeile über dem Aufmacher lautete: Große Koalition in Sicht . »Das hast du doch selbst vorausgesagt.«
»Das meine ich nicht.« Sie zeigte auf eine Stelle weiter unten.
Ich las: »Die Turbulenzen, in die die
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