Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
überrascht wieder hin.
Lewandowski gab einem seiner Untergebenen ein Zeichen. Der junge Mann rollte eine Leinwand aus, die hinter der Dezernentenriege an einer Stange befestigt war. Dann schaltete er einen Diaprojektor ein. Auf der Leinwand flimmerte das Foto, das ich bereits gesehen hatte.
Lewandowski zauberte einen Zeigestock hervor und stellte sich seitlich der Leinwand auf. »Was Sie hier sehen, ist eine Begebenheit, die sich in der Hamburger Global World , einem Vergnügungspark von Global Artists , ähnlich dem in Münster geplanten, abgespielt hat.« Die Spitze des Zeigestocks berührte Steffenhagen. »Dieser Mann ist das für Planung und Investment zuständige Vorstandsmitglied von Global Artists Deutschland , Richard Steffenhagen. Die anderen vier kennen sie: Dietzelbach, Hennekamp, Holthausen, grüne Ratsmitglieder, ermordet.« Der Zeigestock tippte herum und blieb an Conny hängen. »Cornelia Guttweller, grüne Ratsfrau, heute im Saal anwesend.« Der Zeigestock wanderte zu dem Geldbündel, das Steffenhagen in der Hand hielt. »Wie Sie ebenfalls gut erkennen können, verteilt Herr Steffenhagen Geldscheine an die Grünen. Zur Erinnerung: Alle vier haben sich innerhalb ihrer Partei für das Kappenstein-Projekt starkgemacht. Man muss kein Hellseher sein, um einen Zusammenhang zu erkennen. Unbegreiflich jedoch, oder geradezu sträflich unvorsichtig, wenn man die Folgen bedenkt, ist die Tatsache, dass dieser Versuch der politischen Einflussnahme so offen, so ungeschützt und in aller Öffentlichkeit erfolgte. Leider müssen wir davon ausgehen, dass der oder die Täter, die die Morde zu verantworten haben, die Szene ebenfalls beobachtet oder durch Dritte davon Kenntnis erhalten haben. Ich muss nicht ausdrücklich betonen, dass sie einen – nicht nur für linke Moralverhältnisse – eklatanten Sündenfall darstellt. Selbstverständlich habe ich veranlasst, dass die letzte Überlebende, Frau Guttweller, unter Polizeischutz gestellt wird, damit es nicht zu einem weiteren Mord kommt.«
Lewandowski wippte triumphierend auf den Schuhspitzen, während er seinen Blick über die ratlosen Gesichter ringsum schweifen ließ.
Die Oberbürgermeisterin wurde sich ihres Amtes bewusst: »Ja, äh, vielen Dank, Herr Lewandowski. Wird dazu eine Aussprache gewünscht?«
Conny zeigte auf. Sie war immer noch bleich, wirkte aber gefasst. »Wer hat das Foto gemacht, Herr Lewandowski?«
Der Oberrat lächelte maliziös. »Das darf Ich Ihnen aus Zeugenschutzgründen nicht mitteilen.«
»Sie hätten den Fotografen befragen sollen, oder Herrn Steffenhagen, ja, sogar eine Ausschnittvergrößerung der fraglichen Geldscheine hätte gereicht. Dann wäre Ihnen ein merkwürdiger Umstand aufgefallen.«
Lewandowskis Gesichtsausdruck wurde merklich angespannter.
»Bei den Geldscheinen handelt es sich nämlich um Spielgeld.«
Ein Raunen ging durch die Sitzreihen.
»So naiv, unverfroren oder schlicht dämlich, wie Sie uns darstellen, waren wir tatsächlich nicht. Überhaupt hatte das Treffen in Hamburg keinerlei konspirativen Charakter. Wir vier sind, wovon wir auch unseren Fraktionsvorstand unterrichtet haben, einer offiziellen Einladung von Global Artists gefolgt, um uns über die Global World -Idee zu informieren. Nun gibt es in der Hamburger Global World ein Spielkasino, kein herkömmliches – das wäre schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich –, sondern eine Art Western Saloon , in dem an Spieltischen gespielt wird, allerdings ohne die Chance, das gewonnene Geld in echtes umzutauschen. Auf dem Foto sehen Sie, wie uns Steffenhagen mit diesem Spielgeld ausstattet. Man kann darüber streiten, ob es sich um eine Geschmacklosigkeit handelt, die wir als Parlamentarier nicht hätten begehen sollen. Im Nachhinein neige ich zu dieser Auffassung. Ich möchte mich dafür bei meinen Kollegen und politischen Freunden entschuldigen. Aber zugleich betone ich ausdrücklich, dass ich von Global Artists keinen Pfennig Schmiergeld erhalten habe. Im Übrigen habe ich inzwischen meine Haltung zum Kappenstein-Projekt korrigiert. Ich werde, wenn es heute zur Abstimmung kommt, dagegen votieren. Sie können Ihren Polizeischutz wieder abziehen, Herr Lewandowski.«
Lewandowski guckte sich Hilfe suchend zu seinen Untergebenen um. In diesem Moment hätte ich nicht in Stürzenbechers Haut stecken mögen. Ich konnte mir vorstellen, wie Lewandowski ihn nach der Sitzung zusammenscheißen würde.
Inzwischen hatte sich Heiner Kleine-Langen zu Wort gemeldet:
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