Wilsberg 08 - Das Kappenstein-Projekt
»Ich habe keinen Grund, an der Klarstellung meiner Kollegin Guttweller zu zweifeln, die mir als loyale und integere Persönlichkeit bekannt ist. Die Vorwürfe, die uns Oberrat Lewandowski aufgetischt hat, sind haltlos und zeugen von Inkompetenz. Allerdings passen sie wie die Faust aufs Auge zu den Eindrücken, die ich von seiner bisherigen Arbeit gewinnen konnte. In bester deutscher Polizeitradition schielt der Mann ausschließlich nach links. Nach meiner Auffassung sind die Täter aber auf der rechten Seite des politischen Spektrums zu suchen, unter jenen durchgeknallten Neonazis, die alle hassen, die anders aussehen oder anders denken, seien es Juden, Farbige oder Grüne. Wer Asylbewerberheime ansteckt, ist auch bereit zu morden.«
»Wir wollen uns hier nicht in Mutmaßungen ergehen«, würgte die Oberbürgermeisterin ihn ab. »Haben Sie dazu noch etwas zu sagen, Herr Lewandowski?«
»Es gibt noch einen weiteren Hinweis, dass die Täter eben doch auf der linken …«
»Wir hören«, sagte die Oberbürgermeisterin scharf.
»Es betrifft den Modus Operandi , ich meine, den Tathergang, das kann ich unmöglich …«
»Was Sie nicht können, interessiert mich nicht«, kanzelte die Oberbürgermeisterin ihn ab. »Sie haben die Würde dieses Hauses schwer beschädigt. Das Mindeste, was ich von Ihnen erwarte, ist eine öffentliche Entschuldigung.«
Es sah so aus, als bekäme Lewandowski einen Krampf im Unterkiefer. Schließlich presste er hervor: »Ich entschuldige mich.«
Beim hölzernen Abgang durch die Reihen der Journalisten und Stadträte hielt er mit aller Kraft den Rücken gerade und die Augen starr nach vorne gerichtet. Seine beiden Untergebenen schlichen mit besorgten Mienen hinterher.
»Schalten Sie endlich den Diaprojektor ab!«, fauchte die Oberbürgermeisterin zur Seite. »Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt eins.«
Der Tagesordnungspunkt eins betraf das Kappenstein-Projekt. Da ich alle Argumente dafür und dagegen schon mindestens dreimal gehört hatte, verließ ich den Festsaal. Zumal mir eine Idee gekommen war, die ich sofort in die Tat umsetzen wollte. In der Halle neben dem Festsaal, die das Obergeschoss des Rathauses mit dem Stadtweinhaus verband, fand ich ein öffentliches Telefon. Und nach gar nicht so langem Plaudern mit einer Frau von der Auskunft besaß ich die Nummer des Privatdetektivs Wolfgang Schröder, der auf der Essener Steeler Straße residierte.
Eine Frau hob ab: »Detektivagentur Schröder, internationale Ermittlungen, Beschaffung von Beweismaterial für Zivil- und Strafprozess, Sicherheits-Analysen, Personenschutz und Transportüberwachungen, guten Tag. Mein Name ist Christiane Ullmann. Was kann ich für Sie tun?«
»Mein Gott, ihr habt wohl dringend Aufträge nötig?«
»Wie bitte?«
Ich sagte ihr meinen Namen, dass ich ein Kollege sei und Wolfgang Schröder sprechen wolle.
»Herr Schröder ist in der Dunkelkammer.« Sie legte den Hörer auf den Tisch und schrie: »Wolli!«
Ich hörte eine Tür zufallen, dann ein kaum unterdrücktes Rülpsen, schließlich ein metallisches Geräusch, das so klang, als ob eine Bierdose in einen Papierkorb geworfen würde.
»Was ist los?«
Ich berichtete ihm von meinem Problem.
»Und du bist der Typ, der mich in der Geisterbahn gejagt hat?«
»Genau der.«
»Okay, unter Kollegen und so. Der Job ist sowieso erledigt. War ein Scheiß-Auftrag, kann ich dir sagen. Also, die Tussi von dem Steffenhagen wollte wissen, was ihr Männe so den ganzen Tag treibt. Keine Ahnung, warum, interessierte mich auch nicht. Ich hab ihn brav observiert und die Fotos abgeliefert. Dachte, die Sache wäre vorbei, da hatte ich plötzlich die Bude voller Bullen. Die haben meine Dunkelkammer komplett auseinandergenommen.« Er rülpste dezenter. »Und als sie das Foto von Steffenhagen mit dieser blonden Kurzhaar-Braut entdeckten, waren sie völlig aus dem Häuschen.«
»Hast du ihnen nicht erzählt, dass es sich um Spielgeld handelt?«
»Nee, hat mich auch keiner nach gefragt.«
Als ich zum Sitzungssaal zurückging, entdeckte ich ein bekanntes Männerpaar, das seine Köpfe tuschelnd zusammensteckte. Ich wartete, bis Heiner Kleine-Langen in den Saal zurückgehastet war und Axel Feldhaus sich eine Zigarette angesteckt hatte.
»Hallo Axel!«, sagte ich. »Was gab’s denn da Wichtiges zu bereden?«
Er saugte heftiger und warf mir einen Wenn-ich-könnte-wie-ich-wollte-würde-ich-dir-in-die-Eier-treten-Blick zu. »Wüsste nicht, was Sie das angeht.«
»Habe ich
Weitere Kostenlose Bücher