Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch
Kellnerin brachte meinen Kaffee.
»Frau Kleinschmidt, ich habe Ihren Namen gegenüber der Polizei nicht erwähnt. Und ich will auch in Zukunft versuchen, Sie aus allem herauszuhalten. Aber Sie müssen mir helfen. Es geht nicht allein um den Mord an Jessica. Gestern sind die Leichen von vier alten Frauen exhumiert worden. Alle waren bei Doktor Thalheim in Behandlung. Ich bin sicher, dass Jessica Informationen besaß, die Doktor Thalheim in Schwierigkeiten bringen könnten. Vielleicht hat sie Dateien aus der Praxis kopiert, vielleicht nur aufgeschrieben, was sie in Erfahrung gebracht hatte. Tatsache ist jedenfalls, dass der Mörder von Jessica die Festplatte ihres Computers mitgenommen hat.«
Steffi Kleinschmidts Lippen wurden schmal. »Wenn ich etwas darüber wüsste, wäre ich die Erste, die zur Polizei gehen würde, das können Sie mir glauben.«
»Ich glaube Ihnen ja«, beruhigte ich sie.
»Dann hören Sie auf, mich wie eine Verbrecherin zu behandeln! Ich bin nicht hierher gekommen, weil ich ein schlechtes Gewissen habe.«
Ich hob die Hände. »Okay, mein Fehler. Vergessen wir das Ganze.«
Die Luft über dem Tisch wurde wieder ein paar Grad wärmer.
Ich probierte es mit einem schüchternen Lächeln: »Friede?«
»Friede«, sagte sie und lächelte ebenfalls.
»Ich stochere ziemlich im Dunkeln«, gab ich kleinlaut zu. »Jeder Name, den Jessica mal erwähnt hat, jede Andeutung, die sie gemacht hat, könnte mir weiterhelfen.«
»Da gibt es tatsächlich etwas.« Sie wärmte ihre Hände am Teeglas. »Ich habe Ihnen beim letzten Mal nicht alles erzählt.«
Ich wartete.
Sie schaute mich an. »Die Wohnung, die Jessica gesucht hat – sie war für uns beide.«
Ich war verblüfft. »Sie wollen ...«
»Ich wollte Berthold verlassen, ja. Aber allein hatte ich nicht den Mut dazu. Denn es ist ja auch ein finanzielles Problem. Ich habe seit zehn Jahren nicht mehr in meinem Beruf gearbeitet und mit der Malerei verdiene ich kein Geld. Bis Scheidung und Unterhalt geregelt sind, das dauert. Bei Berthold kann ich nicht auf Verständnis hoffen und die Vorwürfe meiner Eltern, wenn ich bei ihnen um Asyl bitte, möchte ich mir nicht anhören.« Sie machte eine Pause. »Na ja, Jessi meinte, Geld sei kein Problem, sie könnte genug auftreiben.«
»Woher?«
»Das hat sie nicht gesagt.«
»Sie haben nicht gefragt?«
»Sie machte ein Geheimnis daraus. Und ich ...«, sie stockte, »... wollte es vielleicht nicht so genau wissen.«
»Glauben Sie, Jessica hat Doktor Thalheim erpresst?«
»Nach dem, was Sie sagen, nehme ich es an.«
»Könnte sie nicht beabsichtigt haben, Thalheims kriminelle Machenschaften aufzudecken?«
Steffi Kleinschmidt lächelte schal. »Dazu war Jessi nicht der Typ. Wenn sie etwas gegen Thalheim in der Hand hatte, wollte sie es zu ihrem eigenen Nutzen verwenden.«
Wenn.
»Du sollst Stürzenbecher anrufen«, sagte Franka, als ich ins Büro zurückkehrte. »Er klang ziemlich mies.«
Das war eine Untertreibung. Stürzenbecher sparte sich die Begrüßung, die Anrede und die Verabschiedung. Er bellte nur: »Komm sofort her!«
»Was ist los?«, fragte Franka.
»Sieht so aus, als würde etwas gewaltig dampfen. Etwas, das nicht gut aussieht und nicht gut riecht.«
Der Hauptkommissar schlug mit der flachen Hand auf die Papiere, die vor ihm ausgebreitet auf dem Schreibtisch lagen. »Wie stehe ich denn da? Wie ein Idiot. Wozu der ganze Aufwand? Vier Exhumierungen, vier Obduktionen, das sind mindestens zwanzigtausend Mark. Dazu die negative Presse und der Ärger mit den Angehörigen und der Kirche.«
»Was steht denn drin?«, fragte ich zaghaft.
»Nichts, absolut nichts.« Stürzenbecher klatschte erneut auf die Papiere. »Keine äußere Gewaltanwendung, kein Gift, keine auffälligen Organschädigungen, keine chemische Konzentration von irgendwas, kein gar nichts. Helga Dickmöller hatte offenbar eine Lungenentzündung, das ist alles.«
»Die Nachbarin sprach von einer harmlosen Erkältung.«
»Es war aber eine Lungenentzündung. Bei alten, geschwächten Menschen kann das tödlich enden.«
»Sie war nicht geschwächt.«
»Sie ist dran gestorben, Wilsberg. Aus, finito, Ende.«
»Und die anderen?«
»Was?«, fauchte Stürzenbecher.
»Sind die auch an Lungenentzündung gestorben?«
»Davon hat Celenius nichts geschrieben. Unter Umständen waren sie auch schon zu lange unter der Erde, um das feststellen zu können.«
Ich schnappte mir die Berichte und begann zu lesen.
»Warum habe ich mich nur
Weitere Kostenlose Bücher