Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch
worden. Über Kopfhörer konnten wir verfolgen, was in dem Raum gesprochen wurde.
Bald darauf hörten wir, wie die Tür geöffnet wurde und Thalheim seinen Besucher begrüßte: »Schön, dass Sie sofort kommen konnten.«
»Das ist mein Job, Doktor.« Parker sprach mit einem breiten amerikanischen Akzent. »Wo ist das Problem?«
»Der Einbruch bei BioMedic macht mir Sorgen. Ich hoffe nicht, dass Material entwendet wurde, in dem mein Name auftaucht.«
»Das hat nichts zu bedeuten«, wiegelte Parker ab. »Die sind nicht an die wirklich wichtigen Informationen gelangt.«
»Wen meinen Sie mit ›die‹?«, fragte Thalheim.
»Ich vermute, dieser private eye Georg Wilsberg steckt dahinter.«
»Die Sache gefällt mir nicht.« Thalheims Besorgnis klang echt. »Zuerst die Exhumierung meiner Patientinnen, jetzt der Einbruch bei BioMedic. Jemand ist uns dicht auf der Spur.«
»Sie müssen cool bleiben, Doktor. Dann passiert Ihnen nichts.«
Die versteckte Drohung war auch Thalheim nicht entgangen: »Sie meinen, dann passiert mir nicht das Gleiche wie Jessica Wiedemann.«
Parker lachte grob. »Sie haben mich angerufen, Doktor, schon vergessen? Sie haben gesagt, ich soll Ihnen die Frau vom Hals schaffen.«
»Ich habe nichts von Mord gesagt.«
»Vom Hals schaffen bedeutet für mich nur eins.«
Die Handbewegung, mit der er wahrscheinlich seine Worte unterstrich, konnte ich mir vorstellen.
»Außerdem – wer hat ihr das Beruhigungsmittel gegeben? Das waren doch Sie«, redete Parker weiter.
»Weil Sie es verlangt haben«, verteidigte sich Thalheim.
»Doktor, Doktor«, drohte Parker. »Erzählen Sie mir nicht, dass Sie nicht wussten, was passieren würde. Aber es gibt keinen Grund, nervös zu werden. Die Polizei in Münster ist nicht besonders clever. Die hat ihren Ehemann verhaftet.«
»Haben Sie persönlich ...«, fragte Thalheim.
»O ja, so etwas erledige ich persönlich. Ich weiß, wie man Spuren vermeidet. Eigentlich schade, dass ich sie töten musste. Sie war wirklich schön.«
»Sie sind ekelhaft, Parker.«
Der Amerikaner lachte. »Ich bin Ihr Schutzengel, Doktor.«
»Zugriff«, befahl Stürzenbecher ins Mikro und nahm die Kopfhörer ab.
Wir gingen in den Flur und sahen zu, wie die Kripoleute mit gezogenen Pistolen ins Sprechzimmer stürmten.
Als der Amerikaner in Handschellen abgeführt wurde, klatschte mir Stürzenbecher auf die Schulter. »Da hast du ja noch mal Schwein gehabt, Wilsberg.«
»Ich?«, fragte ich erstaunt.
»Na klar. Stell dir vor, wir hätten keine Geständnisse von Thalheim und Parker gekriegt. Dann wäre der Einbruch bei BioMedic für dich böse ausgegangen.«
»Wer sagt denn, dass ich bei BioMedic eingebrochen bin? Man hat mir das Material anonym zugespielt.«
Stürzenbecher grinste. »Erzähl das deinem Gemüsehändler!«
XX
Ich aß gebratene Entenbrust mit Zuckerschoten und Glasnudeln und bemühte mich, nicht daran zu denken, wie mir das letzte Essen aus dem Asia Fast Food bekommen war. Kim Oanh stand mit bedrücktem Gesicht auf der anderen Seite der Theke. Ich war der einzige Gast.
»Wie läuft das Geschäft?«, fragte ich, um das Schweigen zu brechen.
»Nicht besonders.« Kim Oanh schnitt eine Grimasse. »Es hat sich schnell herumgesprochen, dass die Polizei meinen Laden geschlossen hat. Einige kommen zwar wieder, aber viele andere bleiben weg. Zurzeit mache ich jeden Tag Verlust. Ich bin schon auf der Suche nach einem neuen Standort, irgendwo in der Innenstadt.«
»Eine gute Idee«, stimmte ich zu. »Wollen Sie ihn wieder Asia Fast Food nennen?«
»Warum nicht?«
»Vietnamesisch im Namen fände ich besser.«
Kim Oanh lächelte zum ersten Mal. »Die vietnamesische Küche ist nicht einzigartig. Es gibt chinesische und thailändische Einflüsse. Viele Vietnamesen in Deutschland betreiben chinesische Restaurants. Außerdem würden die Leute in einem vietnamesischen Restaurant dauernd nach geschmuggelten Zigaretten fragen.«
Ich lachte. »Möglich. Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie etwas in der Innenstadt gefunden haben. Dann komme ich bestimmt regelmäßig.«
»Heißt das, Sie wollen auch nicht mehr kommen?«
»Na ja.« Ich legte einen Geldschein auf die Theke. »Der Fall in Sankt Mauritz ist abgeschlossen. Und von meiner Wohnung im Kreuzviertel ist es ein bisschen weit bis hierher.«
Kim Oanh zog eine Schnute.
Ich winkte ihr zu. »Bis bald!«
Draußen holte ich tief Luft. Das Alltagsleben konnte ernüchternd sein, wenn man ein paar Tage auf der Überholspur
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