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Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Titel: Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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so.« Er lachte. »Die sind sauber. Keine Sorge.«
    Das beruhigte mich nicht im Mindesten. »Hören Sie auf, mir irgendwelchen Schmu zu erzählen. Sie sind weder in der Sex- noch in der Antiquitätenbranche.«
    »Ich schlage mich so durch, mit diesem und jenem.«
    Der Kellner brachte unser Essen und Fahle bestellte noch ein Bier.
    »Durchschlagen ist meine Stärke. Das habe ich schon als Kind gelernt.« Er schob sich ein Stück Fleisch in den Mund und redete kauend weiter. »Ich stamme aus Süddeutschland. Mein Vater hat meine Mutter mit drei kleinen Kindern sitzen gelassen. Meine Mutter musste hart arbeiten, um uns durchzubringen. Wir waren viel allein und auf der Straße. So was prägt. Ich habe mich geprügelt und geklaut. Nach der dritten Festnahme wurde ich in ein Heim eingewiesen. Damals ging das noch schneller als heute. Ich war vierzehn und hatte eine Stinkwut. Auf das Heim, auf die Erzieher, auf die Welt im Allgemeinen.« Er hob sein Glas. »Und dann kam der Juni 1969.«
    Das Datum sagte mir nichts.
    »Die Heimkampagne«, erklärte Fahle. »Die linke Bewegung entdeckte die Heime und wollte uns Zöglinge ›befreien‹. Baader und Ensslin waren auch dabei. Und Ulrike Meinhof schrieb Bambule. Frankfurter Studenten belagerten das Heim, in dem ich saß. Die liberale Öffentlichkeit zeigte Sympathie, Jugendämter und Heimleitungen kriegten Muffensausen. Zusammen mit einigen meiner Kumpel habe ich die Chance genutzt und bin getürmt. Zunächst nach Frankfurt. Und da bin ich dem heiligen Paar leibhaftig begegnet.«
    »Baader und Ensslin?«
    »Bingo. Sie lebten in einer Frankfurter Westend-Villa, in einem sogenannten Wohnkollektiv. Da war immer was los, Party oder Demo, Alkohol oder Action. Baader fuhr einen weißen Mercedes 220 SE, obwohl er keinen Führerschein hatte. Sie können sich denken, wie das auf einen Fünfzehnjährigen wirkte, ich fühlte mich wie im Paradies. Schlafen bis in die Puppen, rumgammeln oder bei einer Demo die Bullen aufmischen. Ich kriegte sogar fünf Mark Taschengeld pro Tag. Baader und Ensslin waren für uns die Götter. Die Ausstrahlung, die von ihnen ausging, war einfach wahnsinnig. Wenn Baader redete, habe ich zwar nicht viel verstanden, aber ich merkte, dass der Typ einen unbändigen Willen hatte, dass er keinerlei Kompromisse einging.«
    »Klingt so, als wären Sie immer noch von ihm fasziniert«, meinte ich.
    »Diese Begegnung war für mich das Urerlebnis, das mein Leben bestimmt hat, im Guten wie im Schlechten.«
    »Baader war ein Aufschneider«, sagte ich. »Er hat die Studentenbewegung als Bühne für sein Ego benutzt. Es ging doch immer nur darum, wer der Tollste ist, wer die coolste Action macht, die erste Brandstiftung, den ersten Polizisten erschießt. Das war ein Konkurrenzkampf zwischen Machos, Kunzelmann oder Baader, RAF oder Westberliner Tupamaros. Die politischen Ziele der RAF waren von Anfang an reiner Schwachsinn.«
    »Schon möglich. Aber erklären Sie das mal einem Fünfzehnjährigen.« Fahle schob den Teller mit dem Huhn, das er kaum angerührt hatte, zur Seite. »Ohne diese Geschichte hätte ich nie begriffen, dass es darauf ankommt, etwas zu lernen. Mir wurde klar, wie dumm ich war. Ich wollte verstehen, worüber die Studenten schwätzten, ich wollte mitreden. Nach einigen Monaten bin ich bei Pflegeeltern gelandet, einem linksliberalen Lehrerpaar. Auf Umwegen habe ich das Abitur gemacht und sogar angefangen, Politik zu studieren. Nach ein paar Semestern sind mir die Seminare, Thesenpapiere und Referate allerdings auf den Geist gegangen. Ich wollte etwas bewegen, nicht nur diskutieren. Auf den Vollversammlungen stritten sich die K-Gruppen darüber, ob Enver Hoxha der größte lebende Marxist-Leninist war oder nicht. Ich empfand das als L’art pour l’art. Also gab ich das Studium auf und hielt mich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Daneben lief die Einsteigerkarriere in die RAF: Rote Hilfe, Folterkomitee, Gefangenenbetreuung. Als Holger Meins starb, haben wir geheult und auf den Straßen ›Mörder!‹ geschrien.« Er winkte dem Kellner. »Lassen Sie uns noch irgendwo ein Bier trinken.«

V
    Eine Stunde später redeten Fahle und ich über den Deutschen Herbst des Jahres 1977, die Schleyer-Entführung und die Erstürmung der Landshut in Mogadischu. Noch in derselben Nacht waren Baader, Ensslin und Raspe in ihren Zellen in Stammheim, dem angeblich sichersten Gefängnis der Welt, gestorben.
    »Ich kann mich noch genau daran erinnern«, sagte Fahle. »Wir kamen an

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