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Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation

Titel: Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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wurden.
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet«, sagte ich. »Warum habt ihr diese Menschen ermordet? Was habt ihr euch dabei gedacht?«
    Fahle ging ein wenig gebeugt, sein Buckel trat deutlicher hervor. »Ich sage nicht, ob ich dabei war. Ich sage auch nicht, ob ich dafür oder dagegen war, falls das überhaupt eine Rolle spielt. Es war Mord, klar. Es war überflüssig, auch klar. Spätestens seit Pimental hatten wir aufgehört, als Bewegung zu existieren.«
    »Die RAF war nie eine Bewegung.«
    »Mag sein. Aber es gab ein Umfeld, eine Basis für unsere Ideen. Nach Pimental waren wir so einsam wie Che Guevara im Dschungel von Bolivien. Wir träumten von einer europäischen Front, zusammen mit der Action Directe in Frankreich und den Roten Brigaden in Italien. Alles Luftschlösser.«
    Wir tauchten in das Gassengewirr des Rotlichtviertels ein. Bikinibekleidete Frauen standen in ihren Schaufenstern unter roten Neonleuchten, warfen Kusshände oder klopften an die Glasscheiben.
    »Anfang der Neunzigerjahre wurde uns bewusst, dass es so nicht weitergehen konnte«, sagte Fahle. »Deshalb haben wir im April 1992 erklärt, dass wir niemanden mehr umbringen werden. Bad Kleinen, der Tod von Wolfgang Grams, war vollkommen überflüssig.«
    »Was weiß Felizia noch?«, fragte ich.
    »Nichts, fast nichts.« Fahle hielt mich am Arm fest. »Mein Mädchen ist in Gefahr, Georg. Sie läuft da draußen rum und buddelt in der Vergangenheit. Nicht alle meine ehemaligen Genossen sind so friedlich wie Regina Fuchs. Manche tragen bestimmt noch immer ihre Pistolen. Die schießen lieber, als Interviews zu geben. Hast du Kinder, Georg?«
    »Ja«, sagte ich. »Eine Tochter. Sie ist vierzehn und kommt jedes zweite Wochenende zu mir.«
    »Dann weißt du, was ich fühle. Hilf mir, Feli zu finden, bevor es zu spät ist.«

    Ich schlief unruhig, wie meistens, wenn ich zu viel getrunken habe und in einem fremden Bett liege. Um sieben Uhr stand ich auf.
    Im Frühstücksraum war ich allein mit zwei hellwachen Rentnerpaaren, die entweder unter präseniler Bettflucht litten oder Angst hatten, sie könnten die Öffnung eines Museums verpassen.
    Nach zwei Brötchen und einer Aspirin fühlte ich mich besser. Jedenfalls gut genug, um meine Rechnung zu bezahlen, den Wagen aus dem Parkhaus zu holen und den Weg zur Autobahn zu finden.
    Als ich drei Stunden später in Münster ankam, war es in meiner Wohnung fast so kalt wie draußen. Ich drehte die Heizung hoch und sah, während ich im Mantel darauf wartete, dass es warm wurde, die Post durch. Dann hörte ich den Anrufbeantworter ab und las die in meiner Abwesenheit eingegangenen E-Mails, abzüglich der Angebote für Penisverlängerung und Viagra. Auch beim Rest war nichts dabei, was ich nicht in den Papierkorb oder auf die lange Bank schieben konnte. Anschließend war ich so fertig, dass ich mich gleich wieder hinlegen musste. Als Entschuldigung hielt ich mir den Jetlag nach meinem New-York-Trip zugute. Kurz darauf schlief ich ein.
    Um vier Uhr am Nachmittag wachte ich auf. Draußen wurde es bereits wieder dunkel, falls es überhaupt richtig hell geworden war. Ich überlegte, ob ich den Tag abhaken und Felizia Sanddorn für eine Weile vergessen sollte. Wäre Warendorf nicht lediglich eine halbe Autostunde entfernt gewesen, hätte ich es getan.

    Geduscht und mit zwei aufgewärmten Baguettebrötchen im Magen quälte ich mich im Pendler-Treck über die B 51 nach Warendorf. Henrike Sanddorn wohnte in der Innenstadt, in der Nähe des Alten Rathauses. Ich drückte auf die Klingel neben ihrem Namensschild und dann, als sich nichts tat, auf die Klingel darunter. Der Türöffner summte.
    Ein junger Mann mit Säugling auf dem Arm und Spucktuch über der Schulter stand im Hausflur und klopfte sanft auf den Rücken des Kindes.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich. »Ich bin mit Frau Sanddorn verabredet, aber ein bisschen zu früh dran. Wahrscheinlich arbeitet sie noch im Supermarkt. Können Sie mir sagen, wo der ist?«
    »Der MiniMAL «, sagte der junge Mann. »Wenn Sie rauskommen, rechts runter, die zweite Straße links.« Ich bedankte mich. Im selben Moment ergoss sich ein Schwall gelber Kotze auf das Spucktuch.

    An den beiden Kassen des Supermarktes herrschte Hochbetrieb. Die eine Kassiererin war blond und Anfang zwanzig, die andere war Mitte vierzig, hatte lange schwarze Haare und ein bis zum Überdruss gleichgültiges Gesicht.
    Ich ging durch den Laden und stellte mich in die Schlange der älteren Kassiererin.

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