Wilsberg 17 - Wilsberg und die dritte Generation
Arsch auf Grundeis gehen. Und 2003 war sie in Bagdad, über Amman mit einem Konvoi eingereist. Die Frau hat diesen Schalter im Gehirn, mit dem man die Angst ausschalten kann. Aus der könnte mal eine ganz Große werden, verstehen Sie?«
»Falls sie nicht tot in der Mülltonne endet«, sagte ich. »Ich würde mir gern ihren Arbeitsplatz ansehen. Meinen Sie, dass das möglich ist?«
Müllers Kopf pendelte nach vorn. »Sorry, Betriebsgeheimnis. Außerdem haben wir ihren Computer schon gefilzt. Ehrlich gesagt, wir haben keine Ahnung, was sie vorhat.«
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Fressen Sie es oder fressen Sie es nicht, Herr Wilsberg!« Müllers blutunterlaufene Augen bekamen einen generösen Schimmer. »Wir wären bereit, ein paar Scheine auf den Tisch zu legen, falls Sie uns eine Adresse oder eine Telefonnummer liefern, über die wir Kontakt zur Sanddorn aufnehmen können. Aus reiner Fürsorge, versteht sich.«
»Ich habe schon einen Klienten«, sagte ich. »Hier in der Redaktion gibt es doch bestimmt jemanden, mit dem sie sich mal privat unterhalten hat.«
»Fehlanzeige«, sagte Müller. »Die Frau ist ein Workaholic. Falls sie ein Privatleben hat, versteckt sie es so gut wie Angela Merkel ihren Hintern.«
Ich stand auf. »Dann vielen Dank für Ihre Zeit.«
»Hey!«, rief er mir nach. »Sie wollten mir den Namen der Frau in New York verraten.«
»Wollte ich nicht«, rief ich zurück. »Außerdem heißt sie längst anders und hat ihre Adresse gewechselt.«
»Scheißkerl!«, hörte ich durch die geschlossene Glastür, als ich im Flur stand.
Anschließend fuhr ich nach Derendorf, einen nördlichen Stadtteil von Düsseldorf. Felizia Sanddorns Wohnung befand sich in einem schmucklosen Mietshaus. Wofür auch immer sie ihr üppiges Redakteurinnengehalt verwendete, besonderer Wohnkomfort gehörte anscheinend nicht dazu.
Ich rechnete nicht damit, jemanden anzutreffen, drückte aber zur Sicherheit auf die Türklingel. Während ich mich umblickte und überlegte, wie ich unbemerkt ins Haus gelangen konnte, summte der Türöffner. Ich war so überrascht, dass ich fast verpasst hätte, die Haustür aufzudrücken. Jemand war in der Wohnung. Aber wer? Ich stieg die Treppe hinauf. War es denkbar, dass Felizia Sanddorn die ganze Welt genarrt hatte und mit abgeschaltetem Telefon zu Hause saß, um in aller Ruhe ihr Buch zu schreiben?
Im Türrahmen stand ein schlaksiger rotblonder Riese mit Milchgesicht, Typ BWL-Student.
»Hallo!«, sagte ich. »Ich bin mit Frau Sanddorn verabredet. Ist sie da?«
Er musterte mich von oben bis unten. »Wer sind Sie?«
»Beantworte nie eine Frage mit einer Gegenfrage«, riet ich ihm. »Sie hat mich angerufen und herbestellt. Also was ist jetzt: Ist sie da oder nicht?«
Seine Augenlider klapperten. »Felizia ist in Düsseldorf?« Mit ungläubigem Staunen.
»Davon bin ich ausgegangen«, schnauzte ich. »Oder denken Sie, ich klingele zum Spaß an fremden Türen?«
Der Riese musste sich abstützen. »Das überrascht mich jetzt. Ich dachte …«
Ich trat näher an ihn heran. »Spielen wir hier Rätselraten oder was?«
»Ich bin ihr Freund.« Er fasste sich. »Ich bin nur zufällig da, weil …«
»Weil?«
»Weil sie mich gebeten hat, ihre Blumen zu gießen.«
»Seit wann haben Sie nichts mehr von ihr gehört?«
»Seit zwei Wochen.« Er biss sich auf die Unterlippe. »Wieso erzähle ich Ihnen das? Das geht Sie eigentlich gar nichts an.«
Der Typ schien harmlos zu sein. Ich wechselte meine Strategie und wurde freundlich. »Tut mir leid, ich habe Sie reingelegt. Frau Sanddorn hat mich nicht angerufen.«
Seine Augen wurden glasig. »Bitte?«
»Ich bin Privatdetektiv und auf der Suche nach Ihrer Freundin.«
Die Hand, mit der er sich am Türrahmen festhielt, zitterte. »Dann stimmt es also?«
»Was?«
»Dass sie verschwunden ist. Ich war bei der Polizei. Die haben mich nicht ernst genommen. Ich …«
Ich deutete in den Flur. »Können wir uns drinnen unterhalten?«
»Natürlich.« Er stolperte mir voran in ein Wohnzimmer, das hell und gemütlich eingerichtet war. Auf dem Boden standen große Kübel mit Grünpflanzen.
»Es ist ein bisschen kalt«, sagte er entschuldigend. »Feli hat die Heizung abgedreht.«
»Wir werden nicht lange bleiben«, versprach ich. »Sie waren also bei der Polizei. Was hat sich daraus ergeben?«
»Nichts. Die wollten meine Vermisstenanzeige erst gar nicht aufnehmen. Ich musste sie regelrecht überreden. Und dann kriegte ich ein paar Tage später von
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