Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
haben Sie nach Lage der Dinge sogar recht. Zu meiner Zeit, da gab es noch Giganten. Der gute Disraeli! Ich erinnere mich noch so genau, wie wir ihn alle zu kapern versucht haben, nachdem seine Frau gestorben war – Medway war das Jahr zuvor gestorben –, aber er war ja so von dieser dummen Bradford eingewickelt, die noch nie eine Zeile aus seinen Büchern gelesen hatte und sowieso nichts davon verstanden hätte. Jetzt kandidiert Abcock für Midhurst und heiratet Sylvia!»
«Sie haben mich gar nicht zur Hochzeit eingeladen, liebe Herzogin. Ich bin ja so verletzt», seufzte Seine Lordschaft.
«Du meine Güte, Junge – ich habe doch die Einladungen nicht verschickt, aber ich nehme an, Ihr Bruder und seine nervtötende Frau werden dabeisein. Sie müssen natürlich auch kommen, wenn Sie möchten. Ich hatte ja keine Ahnung, daß Sie eine Schwäche für Hochzeiten haben.»
«Nein?» meinte Peter. «Ich habe eine Schwäche für diese Hochzeit. Ich möchte Lady Sylvia so gern in weißer Seide mit Familienschmuck sehen und mich wehmütig an die Zeit erinnern, als mein Foxterrier einmal die Füllung aus ihrer Puppe gerissen hat.»
«Nun gut, mein Lieber, das sollen Sie. Kommen Sie früh und stärken Sie mir den Rücken. Was den Schmuck angeht – wenn es nicht Familientradition wäre, würde Sylvia die Diamanten gar nicht tragen. Sie besitzt die Unverschämtheit, an ihnen herumzumäkeln.»
«Ich dachte, sie gehörten zu den schönsten, die es überhaupt gibt.»
«Das stimmt auch. Aber sie sagt, die Fassungen seien häßlich und altmodisch, und überhaupt möge sie keine Diamanten, und sie paßten nicht zu ihrem Kleid. So ein Unsinn. Wer hat denn je von einem Mädchen gehört, das keine Diamanten mag? Sie will irgendwie romantisch und verklärt in Perlen gehen. Ich weiß nichts mit ihr anzufangen.»
«Ich verspreche, die Diamanten zu bewundern», sagte Lord Peter, «und werde von meinem Vorrecht der Kinderfreundschaft Gebrauch machen und ihr sagen, daß sie eine dumme Gans ist und so weiter. Ich würde sie mir ja so gern mal ansehen. Wann kommen sie aus dem Kühlraum?»
«Mr. Whitehall holt sie am Vorabend der Hochzeit von der Bank», sagte die Herzogin, «und dann kommen sie in den Safe in meinem Zimmer. Kommen Sie um zwölf Uhr, und Sie dürfen sie privat besichtigen.»
«Das wäre wunderbar. Sie geben aber gut acht, daß sie nicht im Laufe der Nacht verschwinden, ja?»
«Ach Gott, das Haus wird von Polizei nur so wimmeln. Das ist so lästig. Aber ich fürchte, da kann man nichts machen.»
«Oh, ich halte es für eine gute Sache», sagte Peter. «Ich habe irgendwie eine ungesunde Schwäche für Polizisten.»
Am Morgen des Hochzeitstages verwandelte sich Lord Peter unter Bunters Händen in ein wahres Wunder an Eleganz. Sein primelgelbes Haar, schon ein exquisites Kunstwerk für sich, unter dem glänzenden Zylinder zu verstecken, kam einem Einsperren der Sonne selbst in einen Schrein von polierter Pechkohle gleich; seine Gamaschen, Hose und blitzenden Schuhe bildeten eine monochromatische Farbsymphonie. Nur durch flehentliches Bitten konnte er seinem Tyrannen die Erlaubnis abringen, wenigstens zwei kleine Fotos und einen ausländischen Brief in die Brusttasche stecken zu dürfen. Mr. Bunter, ebenso makellos ausstaffiert, stieg nach ihm ins Taxi. Pünktlich zur Mittagsstunde wurden sie unter der gestreiften Markise abgesetzt, die den Eingang zum Haus der Herzogin von Medway im Park Lane zierte. Bunter verschwand prompt in Richtung Hintereingang, während Seine Lordschaft die Treppe hinaufging und zur Herzoginwitwe vorgelassen zu werden begehrte.
Das Gros der Gäste war noch nicht da, aber das Haus wimmelte von aufgeregten Menschen, die mit Blumen und Gesangbüchern dahin und dorthin huschten, während das Geklapper von Geschirr und Bestecken aus dem Speisesaal die Vorbereitungen zu einem üppigen Hochzeitsfrühstück verriet. Lord Peter wurde in den Morgensalon geführt, während der Diener ihn anmelden ging, und hier traf er einen sehr guten Freund und treuen Kollegen, Kriminalinspektor Parker, der in Zivil dastand und über einer kostbaren Sammlung weißer Elefanten Wache hielt. Lord Peter begrüßte ihn mit einem herzlichen Händedruck.
«Alles soweit in Ordnung?»
«Bestens.»
«Hast du meine Nachricht bekommen?»
«Klare Sache. Drei meiner Leute beschatten deinen Freund in der Guilford Street. Dem Mädchen begegnet man hier auf Schritt und Tritt. Bürstet der alten Dame die Perücke auf und so weiter. Ein bißchen kokett,
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