Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
gemerkt. Mit dem letzten Schlag hat er mich nämlich k.o. geschlagen.»
Er fuhr sich sanft über den Kinnbacken.
«Als ich wieder zu mir kam», erzählte er weiter, «fand ich mich in meinem eigenen Wagen auf einer Art Feldweg wieder. Zuerst konnte ich gar nicht erkennen, wo ich war, aber nach einer Weile hab ich dann gesehen, daß er den Wagen in einen Feldweg neben der Straße gefahren hatte. Man kommt durch ein Eisengatter dahin. Sie kennen die Stelle wahrscheinlich.»
«Ja.»
«Also – ich war in einem fürchterlichen Zustand. Ich fühlte mich hundselend, und obendrein – wie sollte ich mich so in Kirkcudbright blicken lassen? Ich wußte nicht, was ich tun sollte, aber irgend etwas mußte ich tun. Ich habe meinen Hut tief ins Gesicht gezogen, mir den Schal um die untere Gesichtshälfte gewickelt und bin wie der Teufel nach Hause gerast. Ein Glück, daß ich keinem begegnet bin, denn ich war so zerschlagen – ich hatte den Wagen nicht mehr in der Hand. Jedenfalls, ich bin zu Hause angekommen – das muß so gegen Viertel nach zehn gewesen sein, denke ich.
Alcock war großartig. Natürlich mußte ich ihm alles erzählen, und er hat sich dann den Plan ausgedacht. Er hat mich erst mal zu Bett gebracht, ohne daß seine Frau oder das Mädchen mich sahen; dann hat er meine Wunden versorgt, mir ein heißes Bad eingelassen und schließlich vorgeschlagen, wir sollten so tun, als ob ich nach Carlisle gereist sei. Zuerst hatten wir sagen wollen, ich sei krank, aber das hätte Besucher und alles mögliche Theater bedeutet, und wir hätten den Arzt kommen lassen und einweihen müssen. An dem Abend haben wir also beschlossen, so zu tun, als ob ich mit dem Zug um 23 Uhr 08 ab Dumfries nach Carlisle gereist sei. Natürlich hatten wir da noch nicht mit irgendwelchen Ermittlungen gerechnet und hielten es folglich auch nicht für notwendig, extra den Wagen fortzuschicken. Die Haushälterin wurde in das Komplott eingeweiht, aber wir hielten es für besser, dem Mädchen nicht zu vertrauen. Sie hätte bestimmt nicht den Mund gehalten. Zufällig war es ihr freier Abend, also brauchte sie weder zu erfahren, wann ich nach Hause gekommen war, noch sonst etwas. Der einzige, der Bescheid wußte, war demnach Campbell. Natürlich hätte er es herumerzählen können, aber das mußten wir riskieren, denn immerhin hätte er sich ja, sobald er wieder zu Verstand kam, auch sagen können, daß er sich eine Anzeige wegen Körperverletzung einhandeln würde, wenn er nicht aufpaßte. Überhaupt war schon alles besser, als in Kirkcudbright herumzulaufen und sich bedauern zu lassen.»
Gowan zappelte auf seinem Stuhl herum.
«Ganz recht, ganz recht», versuchte Parker ihn zu beruhigen. Er fuhr, während er sprach, mit dem Daumenrücken gedankenlos über sein eigenes Profil. Es war nicht eben regelmäßig, aber das Kinn stand wohltuend kräftig vor. Er war glattrasiert und fand, daß er das durchaus vertragen konnte.
«Anderntags», sagte Gowan, «erfuhren wir von Campbells Tod. Natürlich haben wir nie an etwas anderes als an einen Unfall gedacht, aber es war uns durchaus klar, daß möglicherweise jemand kommen und fragen könnte, ob ich ihn am Abend zuvor noch gesehen hätte. In diesem Moment hatte Alcock seine großartige Idee. Hammond war ja wirklich am Abend zuvor gegen Viertel vor neun in Dumfries gewesen, um etwas zu erledigen, und Alcock riet nun, er solle aller Welt erzählen, daß ich mit dem Zug um 20 Uhr 45 nach Carlisle gefahren sei. Hammond war ohne weiteres gewillt, diese Version zu bestätigen, und da gewiß ein paar Leute den Wagen hatten wegfahren sehen, sah das alles ganz plausibel aus. Natürlich bestand die Gefahr, daß mich jemand noch nach dieser Zeit hatte nach Hause fahren sehen, aber das glaubten wir dann als Verwechslung hinstellen zu können. Offenbar ist diese Frage gar nicht aufgetaucht?»
«So komisch es klingt, nein», sagte MacPherson. «Oder wenigstens erst sehr viel später.»
«Aha. Also, Alcock war großartig. Er riet mir, am Dienstag mit der Nachmittagspost einen Brief an einen Freund in London zu schicken – Sie wissen ja, Chefinspektor: Major Aylwin, durch den Sie auf meine Spur gekommen sind –, und diesem Brief einen Brief von mir an Alcock beizulegen, mit der Bitte, ihn sofort abzuschicken. Der Brief war von meinem Club aus geschrieben, und es stand darin, daß Alcock und Hammond die Limousine nehmen und sich einen schönen Tag machen sollten, da ich noch eine Zeitlang in London aufgehalten würde.
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