Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
für wahr. Die Geschichte ist viel zu grotesk und komisch, um nicht wahr zu sein, und alle die dummen Sachen, die er gemacht haben will, entsprechen genau dem, was man ihm auch zutrauen würde. Ich bin sicher, daß Farren nicht der Typ ist, der sich so eine raffinierte Täuschung ausdenken und die Leiche dort draußen deponieren und das Bild malen würde. Der Mann, der das getan hat, war vollkommen kaltblütig und unemotional und hätte sich gehütet, sich hinterher auf so verdächtige Weise aus dem Staub zu machen. Nein. Verlassen Sie sich darauf, daß der Mann, der das Verbrechen begangen hat, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wieder in seinen gewohnten Jagdgründen aufgetaucht ist.
Ich sehe die Sache so. Strachan hat die Nachricht von Farren erhalten und ist zu Campbells Haus gefahren, wie er angibt. Nachdem er dort war, ist eines von zwei Dingen passiert, und ich bin nicht ganz sicher, welches. Ich denke, Campbell hat ihm die Tür geöffnet, und er ist eingetreten und hat mit Campbell gesprochen, was dann in Streit und Prügelei ausartete. Ich denke, Ferguson wurde von dem Lärm geweckt und kam gerade in dem Augenblick dazu, als Strachan Campbell niedergeschlagen und getötet hatte. Oder er kam hinzu, als Strachan und Campbell kämpften, und führte selbst den Schlag, der Campbell tötete. Es gibt noch die dritte Möglichkeit, daß es genau umgekehrt war und Strachan dazukam, wie Ferguson sozusagen mit Blut an den Händen über dem toten Campbell stand. Das halte ich aber aus einem Grund, den ich später erklären werde, für weniger wahrscheinlich.
Jedenfalls bestand meiner Überzeugung nach diese Situation – die beiden Männer mit dem toten Campbell in Campbells Haus, und mindestens einer von ihnen ist derjenige, der ihn getötet hat. Was tun? Falls nur einer von ihnen seinen Tod verschuldet hat, ist es durchaus denkbar, daß der andere gedroht hat, die Polizei zu verständigen, aber hier könnte es Schwierigkeiten geben. Von beiden war schließlich bekannt, daß sie mit Campbell im Streit lagen, und so hätte der Beschuldigte mit einer Gegenbeschuldigung drohen können. Jedenfalls glaube ich, daß beide sich darüber im klaren waren, in welch äußerst unangenehmer Situation sie sich befanden, worauf sie beschlossen, einander so gut wie möglich aus der Patsche zu helfen.
Wer von beiden nun die Idee hatte, den Unfall vorzutäuschen, weiß ich natürlich nicht, aber ich könnte mir vorstellen, daß es Strachan war. Er ist der Mann mit einem besonders schnellen und scharfen Verstand – genau der Typ, der vorausdenken und die Folgen seiner Handlungen vorhersehen kann. Der erste Entwurf der Idee stammt wahrscheinlich von ihm, aber Ferguson mit seinem bemerkenswerten Gedächtnis für Einzelheiten hat zweifellos geholfen.
Sie werden natürlich gehofft haben, daß die ganze Geschichte als Unfall angesehen würde, haben aber auch bestimmt daran gedacht, daß sie für alle Fälle, nämlich wenn ein Mord dahinter vermutet würde, beide ein Alibi brauchten, das die ganze Zeit zwischen Mitternacht und dem folgenden Mittag abdeckte. Daß sie nun nicht beide ein Alibi für die ganze Zeit haben konnten, war klar, aber ebensogut konnten sie sich die Zeit auch teilen. Schließlich kamen sie überein, daß Strachan sich ein Alibi für die Nachtstunden verschaffen sollte, während Ferguson alle notwendigen Vorbereitungen mit der Leiche traf, und Ferguson sollte dann sein Alibi für den folgenden Vormittag bekommen, während Strachan das Bild malte.»
Der Polizeipräsident verstummte und blickte in die Runde, um zu sehen, wie sein Publikum das aufnahm. Ermutigt durch allgemeine Äußerungen zustimmender Überraschung fuhr er dann fort: «Den Grund, warum sie es auf diese Weise gemacht haben, sehe ich darin, daß Ferguson bereits seine Absicht allgemein bekanntgemacht hatte, am nächsten Morgen nach Glasgow zu fahren, und ein plötzlicher Sinneswandel wäre vielleicht merkwürdig erschienen. Jetzt mußten sie sich ein Alibi ausdenken, das Strachan für diese Nacht glaubhaft vortragen konnte, und da fiel ihnen als beste Möglichkeit ein, daß er seine ursprüngliche Absicht weiterverfolgte, nämlich Farren zu suchen.»
«Aber», unterbrach der Staatsanwalt, «war denn das nicht eine sehr schwierige und unzuverlässige Sache? Es stand doch hundert zu eins, daß er Farren nicht begegnen würde. Wäre es nicht einfacher gewesen, irgend jemanden unter einem passenden Vorwand aufzusuchen? Zum Beispiel hätte er jemandem
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