Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
sei es gewesen, das Fahrrad nach Ayr aufzugeben, und er habe den Gepäckanhänger ausgefüllt und das Rad in den Gepäckwagen getan und Schluß.
Soweit, so gut. Das Fahrrad hatte also einen Gepäckträger gehabt, aber den hatten viele Fahrräder. Es hatte alt ausgesehen und war daher nicht sehr wahrscheinlich das von Farren, konnte aber jedem der beiden anderen gehören. Festzustehen schien, daß Fahrgast und Fahrrad, wer oder was auch immer sie waren, mit dem Dreizehn-Uhr-elf-Zug wohlbehalten nach Ayr gefahren waren.
Dalziel dankte, entlohnte den Beamten und ging zu seinem Wagen zurück. Der Fahrplan belehrte ihn, daß der Zug bis Ayr nur einmal hielt, und zwar in Maybole. Es war sicher kein Fehler, dort einmal anzufahren und sich zu erkundigen, ob der Fahrgast wohl zufällig dort ausgestiegen sei, statt nach Ayr weiterzufahren.
In Maybole sprach er mit dem Bahnhofsvorsteher und erfuhr, daß aus dem Dienstagszug aus Stranraer nur zwei Passagiere ausgestiegen seien, beides Frauen und beide ohne Fahrrad. Anderes hatte er auch eigentlich nicht erwartet. Der Bahnhofsvorsteher fügte hinzu, daß die Fahrkarten aller Reisenden nach Ayr in dem fraglichen Zug in Maybole eingesammelt würden. Acht Dritter-Klasse-Billetts seien abgegeben worden – was eine Nachfrage beim Schalterbeamten bestätigte –, darunter eines aus Girvan. Jede Unstimmigkeit zwischen der Anzahl der ausgegebenen und zurückgenommenen Karten werde im Rechnungsprüfungsamt in Glasgow festgestellt und binnen dreier Tage gemeldet; wenn also mit diesen Karten etwas nicht stimme, würden sie wohl bis morgen davon hören. Das Fahrradbillett eines Reisenden nach Ayr werde nicht in Maybole eingezogen, sondern der Reisende behalte es, bis er in Ayr das Fahrrad wieder ausgehändigt bekomme.
Dalziel hinterließ die Anweisung, Unstimmigkeiten bei den Fahrkarten vom Dienstag an ihn weiterzumelden, dann machten die beiden Polizisten sich auf den Weg nach Ayr.
Ayr hat einen ansehnlichen Bahnhof, wo mehrere Eisenbahnstrecken zusammenlaufen. Die Hauptstrecke von Stranraer nach Glasgow führt direkt durch den Bahnhof. An der Ostseite der Gleise befindet sich der Bahnsteig mit Fahrkartenschalter, Zeitungskiosk, Bahnhofseingang und Anschlüssen für die Zweigstrecken.
Hier legte Dalziel den Schwerpunkt seiner Nachforschungen auf den Fahrradgepäckschein. Ein Blick in die Bücher ergab, daß ein in Girvan ausgestellter Gepäckschein für eine Strecke von 25 Meilen richtig in Ayr zurückgegeben worden war. Die nächste Frage war, wem der Schein übergeben wurde. Da die Fahrkarten bereits in Maybole eingesammelt worden waren, war um diese Zeit die Sperre nicht besetzt gewesen. Der Fahrgast hatte also vermutlich seinen Gepäckschein dem Bahnbeamten gegeben, der das Fahrrad aus dem Gepäckwagen geholt hatte.
Dalziel und Ross nahmen sich nach und nach das ganze Personal vor, aber alle waren vollkommen sicher, daß sie am Dienstag kein Fahrrad aus dem Zug aus Stranraer genommen hatten. Einer jedoch erinnerte sich, daß da etwas mit einem Gepäckschein gewesen war. Nachdem er etlichen Reisenden aus dem Zug geholfen hatte, war er nach hinten gegangen, um sich um das Gepäck zu kümmern. Dort habe ihm der Schaffner einen Fahrradgepäckschein gegeben und gesagt, er gehöre einem Herrn, der sein Fahrrad selbst abgeholt habe und fortgefahren sei. Er, der Dienstmann, habe das für einen gemeinen Trick gehalten, mit dem der Reisende sich ums Trinkgeld habe drücken wollen, aber er nehme jetzt an, daß es der Reisende wohl eilig gehabt habe, denn der Schaffner habe ihn das Fahrrad schnell in Richtung Ausgang schieben sehen. Inzwischen war der Reisende gewiß längst aus dem Bahnhof heraus gewesen. Die Leute seien ja oft so knauserig mit dem Trinkgeld, vor allem Radfahrer. Die Zeiten seien so hart und das Geld so knapp, daß man heutzutage kaum noch zwei Pence bekomme, wo man früher einen halben oder sogar einen ganzen Shilling bekommen habe. Und so was nenne sich nun eine sozialistische Regierung. Für den Arbeiter sei das Leben schwerer denn je, und Jimmy Thomas, der habe sich sowieso mit Haut und Haaren an die Kapitalisten verkauft. Wenn er (der Dienstmann) nur die richtige Behandlung erfahren hätte, wäre er längst was Besseres als ein kleiner Dienstmann, aber wenn immer alle auf einmal über einen herfielen …
Dalziel schnitt die Jeremiade ab, indem er fragte, ob derselbe Schaffner wohl heute wieder diesen Zug begleite. Ja, sagte der Dienstmann, und Dalziel beschloß, zu
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