Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
nach dessen Abklingen er so klein geworden war, daß er sich willig seines grauen Flanells entkleiden und in schwarzer Trauerkleidung mit Zylinder und schwarzen Ziegenlederhandschuhen zu Campbells Beerdigung schicken ließ, sehr zum Befremden seiner Freunde und zur uneingeschränkten Bewunderung Mr. McWhans.
Geschehen war dies: Am Donnerstagmorgen hatte Bunter um Ausgang für einen Kinobesuch gebeten, der ihm gestattet worden war. Da Wimsey mit Inspektor MacPherson in Newton Stewart zu Abend aß und anschließend gleich zu den Andersons ging, sah er Bunter erst wieder, als er nachts zwischen zwölf und ein Uhr nach seinem Besuch auf dem Polizeirevier heimkehrte.
Seine ersten Worte waren:
«Bunter! Bei Mr. Gowan zu Hause tut sich was.»
Worauf Bunter erwiderte:
«Ich stand soeben im Begriff, Eurer Lordschaft eine ähnliche Mitteilung zu machen.»
«Jemand hat sich dort eben im Mondschein davongeschlichen», sagte Wimsey. «Ich bin schon hingegangen und hab’s der Polizei erzählt. Das heißt», verbesserte er sich, «von Mondschein kann keine Rede sein, weil der Mond nicht scheint, sondern es ist ganz unverschämt dunkel, so daß ich sogar über so eine verflixte Treppe gestürzt bin, aber es läuft im Prinzip auf dasselbe hinaus, und ich hoffe, daß wir wenigstens Arnika im Haus haben.»
Bunters Antwort war denkwürdig:
«Mylord, ich habe es bereits auf mich genommen, Sir Maxwell Jamieson in Eurer Lordschaft Abwesenheit von Mr. Gowans Fluchtplänen zu unterrichten. Ich habe allen Grund zu der Annahme, daß man ihn in Dumfries oder Carlisle festnehmen wird. Wenn Mylord die Güte hätten, sich zu entkleiden, könnte ich mich um Mylords Blessuren kümmern.»
«Um Himmels willen, Bunter!» rief Lord Peter, indem er sich in einen Sessel warf. «Könnten Sie sich nicht deutlicher ausdrücken?»
«Als Eure Lordschaft die Güte hatten», begann Bunter, «mich mit den Ergebnissen von Inspektor MacPhersons Ermittlungen im Hause Gowan vertraut zu machen, ist mir der Gedanke gekommen, daß ein Diener wie ich vielleicht mehr Informationen aus Mr. Gowans Hauspersonal herausholen vermöchte als ein Vertreter des Gesetzes. Mit diesem Vorhaben hatte ich Eure Lordschaft um die Erlaubnis gebeten, heute abend in die Lichtspiele gehen zu dürfen. In Mr. Gowans Haushalt befindet sich nämlich –» Bunter hüstelte – «eine junge Person namens Elizabeth, von der ich gestern gesprächsweise erfahren hatte, daß sie heute abend Ausgang habe. Ich habe sie eingeladen, in meiner Gesellschaft die kinematographische Vorstellung zu besuchen. Den Film hatte ich zwar schon in London gesehen, aber für sie war er eine Neuheit, und sie nahm die Einladung mit sichtlicher Freude an.»
«Das glaube ich», sagte Wimsey.
«Während der Vorstellung habe ich es nun verstanden, unsere Beziehungen auf eine etwas vertrautere Basis zu stellen.»
«Bunter, Bunter!»
«Eure Lordschaft brauchen keine Befürchtungen zu hegen. Um es kurz zu sagen, die junge Person vertraute mir an, daß sie Anlaß zur Unzufriedenheit mit ihrer augenblicklichen Situation habe. Mr. Gowan sei freundlich, Mrs. Alcock sei freundlich und Mr. Alcock auch, doch in den letzten Tagen hätten sich gewisse Umstände ergeben, die in ihr einige schlimme Ängste geweckt hätten. Ich habe mich natürlich nach der Art dieser Umstände erkundigt, worauf sie mir zu verstehen gab, daß ihre Ängste durch die Gegenwart eines geheimnisvollen Fremden im Haus geweckt würden.»
«Ich hänge an Ihren Lippen!»
«Danke, Mylord. Ich habe die junge Dame bedrängt, mir nähere Einzelheiten zu berichten, doch sie schien zu fürchten, an so einem öffentlichen Ort könne man sie belauschen. Ich habe deshalb bis nach der Vorstellung gewartet, die um zehn Uhr zu Ende war, und sie dann noch zu einem Spaziergang ums Städtchen herum eingeladen.
Um Sie nicht mit einer langen Geschichte zu plagen, Mylord: Ich habe im Laufe des Gesprächs das Folgende aus ihr herausgeholt. Die geheimnisvollen Vorgänge, über die sie sich beklagt, müssen vorigen Monat begonnen haben, als sie abends Ausgang hatte, um eine kranke Verwandte zu besuchen. Bei der Heimkehr um halb elf wurde sie davon in Kenntnis gesetzt, daß Mr. Gowan plötzlich nach London gerufen worden und mit dem Zug um Viertel vor neun nach Carlisle gefahren sei. Sie sagt, sie würde sich gar nichts dabei gedacht haben, wenn nicht der Butler und die Haushälterin sich solche Mühe gegeben hätten, ihr das einzuschärfen.
Anderen Morgens
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