Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
gewesen war, konnte nur schuldiges Wissen dieses Alibi ersonnen haben, das so schön den Zeitpunkt von Campbells Tod deckte. Wenn aber Jock Graham über schuldiges Wissen verfügte, was wurde dann aus der schönen Theorie mit Farren und der hübschen Verwicklung mit dem Fahrrad?
Der Sergeant stöhnte laut. Er hätte noch tiefer gestöhnt, wenn er gewußt hätte, daß Inspektor MacPherson und Chefinspektor Parker genau in diesem Augenblick damit beschäftigt waren, die schöne Farren-Theorie zugunsten einer Gowan-Theorie fallenzulassen.
Sein Blick fiel auf einen Gegenstand, der auf seinem Schreibtisch lag. Es war ein grauer Filzhut – der einzige Schatzfund, den der Suchtrupp bisher von Falbae zurückgebracht hatte. Es war nicht Farrens Hut. Mrs. Farren und Jeanie hatten dies beide bestritten. Ein Name stand nicht darin. Noch so ein Rätsel. Er drehte den Hut unzufrieden in den Händen.
Das Telefon klingelte. Sergeant Dalziel hob den Hörer ab. Der Anrufer war der Polizeidirektor von Glasgow.
«Wir haben hier einen Mann, der sich als Mr. Waters aus Kirkcudbright ausgibt. Suchen Sie ihn noch? Er wollte gerade in den Zug nach Dumfries steigen.»
«Was sagt er, wo er gewesen ist?»
«Er sagt, er kommt von einer Segeltour. Hat nicht versucht, seine Identität zu leugnen. Was sollen wir mit ihm machen?»
«Festhalten!» rief Sergeant Dalziel verzweifelt. «Ich komme mit dem nächsten Zug.
Ich laß mich auf kein Rrrisiko mehr ein», knurrte er vor sich hin, während er hastige Vorbereitungen für seine Reise traf. «Und wenn ich die ganze Bande errrst mal einsperrren muß.»
À la Waters
Zu seiner großen Überraschung mußte der Sergeant feststellen, daß Wimsey schon vor ihm im Polizeipräsidium Glasgow war. Er saß selbstzufrieden im Dienstzimmer des Polizeidirektors, die Hände über dem Spazierstock zusammengefaltet und das Kinn auf den Händen, und er begrüßte den Sergeant mit geradezu empörender Fröhlichkeit.
«Hallo-allo-allo!» rief er. «Na, da sind wir ja wieder.»
«Und wie kommen Sie hierher?» fauchte Dalziel in einem derart ungereinigten Galloway-Tonfall, daß jedes Wort wie eine Drohung für sich allein klang.
«Auf etlichen Umwegen», sagte Wimsey, «aber, ganz allgemein gesprochen, mit der Eisenbahn. Ich habe die letzte Nacht in Campbells Haus verbracht. 14 Uhr 16 in Glasgow angekommen, um Bilderausstellung zu sehen. Verzweifelter Landsmann kabelt nach Kirkcudbright, daß er sich in den Fängen der Kinder Amaleks befindet und ich kommen und ihn befreien soll. Getreuer Diener schickt Kabel weiter an Bildergalerie. Aufgeweckter Bediensteter in Galerie identifiziert mich und stellt Telegramm zu. Ich fliege gleich einer Adlermutter an den Ort, wo verzweifelter Landsmann gleich verwundetem Nestling in seinem Blute liegt, bildlich gesprochen. Kennen Sie schon meinen Freund, Polizeidirektor Robertson?»
«O ja», sagte der Polizeidirektor, «Sergeant Dalziel war in dieser Angelegenheit schon einmal hier. Also, Sergeant, wahrscheinlich wollen Sie diesen Waters gleich sehen. Uns hat er seine Geschichte schon erzählt, aber Sie hören sie am besten von ihm selbst. Forbes, bringen Sie Waters noch einmal her.»
Wenig später ging die Tür auf und ließ einen ungemein zerzausten und ungemein wütenden Waters ein, angetan mit schmierigem Regenmantel, schmierigem Pullover, schmieriger Flanellhose. Sein unordentliches Haar war von einem weißen Verband, der sein eines Auge halb bedeckte und ihm ein verwegenes Piratenaussehen gab, zu einem liederlich wirkenden Hahnenkamm hochgeschoben.
«Großer Gott!» rief Wimsey aus. «Mann, was haben Sie denn bloß mit sich angestellt?»
«Ich mit mir angestellt?» fauchte Waters zurück. «Was zum Teufel treibt denn ihr alle hier? Was soll dieser ganze Quatsch? Was ist das für ein Blödsinn mit diesem Campbell? Was denken sich diese Idioten in drei Teufels Namen dabei, mich zu verhaften? Was hat das, zum Kuckuck noch mal, überhaupt mit mir zu tun?»
«Aber mein Lieber», mischte Wimsey sich rasch ein, bevor der Sergeant etwas sagen konnte, «Ihre Eloquenz ist wirklich eindrucksvoll, aber kaum eindrucksvoller als Ihr Aussehen, das man, wenn ich so sagen darf, als überaus malerisch bezeichnen kann. Ihre Abwesenheit von Ihren gewohnten Jagdgründen hat Ihren Freunden allerlei Kopfzerbrechen bereitet – ein Kopfzerbrechen, das auch durch die Art und Weise Ihrer Rückkehr nicht eben gelindert wird. Bevor wir uns also hier in eine Diskussion über Campbell oder
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