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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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lästigen Dämons aussah.
    Und noch etwas schien festzustehen: daß alle Theorien, die Wimsey sich bisher zu diesem Fall zurechtgelegt hatte, furchtbar weit danebenlagen.

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Das Zeugnis des getreuen Dieners

    So kreuzten sie, und machten kehrt, und kamen wieder.
THE SECOND BROTHER

    SAMSTAG, 4. JULI
    Mr. Mervyn Bunter saß in einem billigen Hotelzimmer in Bloomsbury und behielt ein recht verstaubtes, mit schmuddeligen Vorhängen dekoriertes Fenster im Auge, das er über einen sehr schmutzigen Hof hinweg gerade noch sehen konnte. Es war Mr. Bunters viertes Quartier in ebenso vielen Tagen, und er hatte das Gefühl, nicht mehr lange unsichtbar bleiben zu können, wenn das so weiterging. Die erste Nacht hatte er auf der Straße verbracht und dabei die Tür zu einer gewöhnlichen Absteige in Whitechapel beobachtet. Von dort war er seinem Opfer zu einer tristen kleinen Pension in Brixton gefolgt. Bei dieser Gelegenheit hatte er Unterkunft über einem gegenüberliegenden Tabakwarenladen gefunden und, indem er spät zu Bett gegangen und früh aufgestanden war, am nächsten Morgen weiter auf Mr. Brights Spur bleiben können. Die Verfolgungsjagd hatte ihn dann durch sämtliche weniger schönen Gegenden Londons geführt, von einer Straßenbahn zur nächsten, von einem Bus zum andern. Das war sehr schwierig gewesen. Ein paarmal hatte er sich in das gleiche Verkehrsmittel wie Bright gewagt, aber um nicht entdeckt zu werden, hatte er ihn die meiste Zeit in Taxis verfolgen müssen, die in diesem Teil der Stadt erstens schwer zu finden und zweitens, wenn man sie gefunden hatte, sehr auffällig waren. Die Nacht hatte er dann unbequem in der Krypta von St. Martin’s-in-the-Fields zugebracht. Jetzt waren sie hier, und Bunter hoffte von Herzen, die Qual möge nicht mehr lange dauern. Er hatte sich einen ebenso abscheulichen wie billigen Anzug gekauft, den zu tragen ihm Qualen bereitete, und außerdem hatte er sich noch eine absolut geschmacklose Melone von welliger Gestalt und schwerer Qualität zugelegt, dazu eine Schottenmütze, einen Schlapphut und einen dunkelfarbigen Mantel. Jeden Tag hatte er sein Aussehen dadurch zu verändern getrachtet, daß er abwechselnd diese widerwärtigen Kleidungsstücke anzog und die andern in Papiertüten mit sich herumtrug, bis er zuletzt das Gefühl hatte, die ständige Gegenwart eines Mannes mit Papiertüten könnte dem Beschatteten verdächtig vorkommen, und so hatte er seinen Arm und sein Gemüt im gleichen Zug entlastet, indem er die häßliche Melone in einem Schnellimbiß unter den Tisch legte und sie dort ihrem Schicksal überließ. Nun saß er da, einen Schlafanzug in der einen Manteltasche, ein Rasiermesser nebst Zahnbürste und Schottenmütze in der anderen und den Schlapphut in der Hand, bereit, wie der Wind hinauszueilen, sowie Bright auch nur die mindesten Anstalten machte, zu verduften.
    Während der letzten Tage hatte Bright stets nur seinen Aufenthalt gewechselt. Er hatte keinen Friseursalon betreten und sich nicht um Arbeit bemüht. Er schien nur die Zeit totzuschlagen – oder aber bewußt seine Spuren zu verwischen. Ein paarmal war er ins Kino gegangen, hatte das Britische Museum aufgesucht oder einen ganzen Nachmittag auf einer Bank im Hyde Park gesessen. Er hatte mit niemandem gesprochen, außer mit Bus- und Straßenbahnschaffnern, Kellnerinnen und anderen harmlosen und notwendigen Leuten. Zur Zeit saß er an seinem Zimmerfenster und las in einem Edgar Wallace, den Bunter ihn Tags zuvor an der U-Bahn-Station Leicester Square hatte kaufen sehen.
    Plötzlich klappte er unter Bunters wachsamen Blicken das Buch zu und ging vom Fenster weg. Über den Hof hinweg sah Bunter ihn sich bücken, hin und her gehen und die Arme in einer Weise bewegen, die Bunter wohlvertraut war. Bunter hatte dieselben Bewegungen schon Hunderte von Malen gemacht und wußte sie zu deuten. Bright packte seine Sachen. Bunter eilte ins Büro hinunter, gab seinen Schlüssel ab (eine Rechnung zu begleichen gab es nicht, denn da er ohne Gepäck gekommen war, hatte er im voraus zahlen müssen) und ging auf die Straße hinaus. Hier hatte er das Glück, ein Taxi anhalten zu können, dessen Fahrer intelligent aussah und gern bereit war, ein bißchen Detektiv zu spielen. Sie befanden sich in einer Sackgasse, und Bunter stieg ein und ließ sich als erstes zur Hauptstraße hinausfahren. Hier stieg er wieder aus, ging in ein Zeitungsgeschäft und überließ es dem Taxifahrer, den Straßeneingang zu beobachten.

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