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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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muß das als eine Art Familiengeschichte weitergegeben haben – Sie wissen ja, wie die Leute sind, wenn sie erst einmal diesen Stammbaumfimmel haben. Ich kenne einen Textilverkäufer in Leeds, der mir einmal allen Ernstes gesagt hat, daß er eigentlich der König von England sein müsse, wenn er nur die Urkunde von irgend jemandes Heirat mit Perkin Warbeck finden könne. Daß in der Zwischenzeit mehrfach die Dynastien gewechselt hatten, störte ihn überhaupt nicht. Er glaubte wirklich, er brauche seinen Fall nur im Oberhaus vorzutragen, dann werde man ihm die Krone auf einem goldenen Tablett überreichen. Und was die andern Anwärter alle angeht, da hat man Alexis sicher überzeugt, daß sie alle zu seinen Gunsten verzichten wollten. Außerdem, wenn er an diesen Stammbaum wirklich glaubte, hätte er wohl gesagt, daß sein Anspruch vorrangig vor den anderen sei, und daß seine Ururgroßmutter die einzige legitime Nachkomme von Nikolaus I. sei. Ich glaube nicht, daß es in Rußland ein Salisches Gesetz gab, das einen Thronanspruch über die weibliche Linie ausschloß. Jedenfalls ist jetzt völlig klar, wie der Köder in der Falle aussah. Wenn wir doch nur an die Papiere herankommen könnten, die Alexis an ›Boris‹ geschickt hat! Aber die sind vernichtet worden, so sicher wie die Erde rund ist.«
    Inspektor Umpelty, begleitet von Chefinspektor Parker von Scotland Yard, klingelte in der Popcorn Street Nr. 17 in Kensington und wurde ohne Umstände eingelassen. Es war ja sehr entgegenkommend von Chefinspektor Parker, daß er sich persönlich der Sache annahm, obschon Umpelty fand, eine nicht ganz so hochkarätige Eskorte hätte es auch getan – aber der Mann war nun einmal Lord Peters Schwager und interessierte sich darum wohl besonders für den Fall. Wenigstens schien Mr. Parker geneigt zu sein, dem Inspektor aus der Provinz freie Hand bei der Vernehmung zu lassen.
    Mrs. Morecambe kam mit bezauberndem Lächeln ins Zimmer getrippelt.
    »Guten Morgen. Nehmen Sie doch bitte Platz. Ist es wieder wegen dieser Wilvercombe-Geschichte?«
    »Ja, Madam. Es scheint irgendwo ein kleines Mißverständnis zu geben.« Der Inspektor zückte sein Notizbuch und räusperte sich. »Es geht um diesen Herrn, Mr. Henry Weldon, den Sie am Donnerstagvormittag im Auto mitgenommen haben. Ich glaube, Sie sagten, daß Sie ihn bis zum Marktplatz mitgenommen haben.«
    »Aber ja. Das ist doch der Marktplatz, oder? Unmittelbar vor der Stadt, mit einer Art Grünanlage und einem Gebäude mit Uhrturm, nicht?«
    »Oh!« machte der Inspektor, leicht verwirrt. »Nein, das ist nicht der Marktplatz – das ist der Messeplatz, wo auch die Fußballspiele und Blumenausstellungen stattfinden. Haben Sie ihn dort abgesetzt?«
    »Aber ja. Das tut mir leid. Ich dachte, das wäre der Marktplatz.«
    »Nun, der Platz heißt Alter Markt. Aber was heutzutage Marktplatz heißt, das ist ein Platz in der Stadtmitte, wo der Verkehrspolizist steht.«
    »Aha. Ich verstehe. Nun, dann habe ich Ihnen wohl leider eine falsche Information gegeben.« Mrs. Morecambe lächelte. »Ist das ein sehr schlimmes Verbrechen?«
    »Es könnte natürlich sehr ernste Folgen haben«, sagte der Inspektor. »Aber für ein echtes Versehen kann ja nun niemand etwas. Trotzdem bin ich froh, daß wir da jetzt Klarheit haben. Nun aber, Madam, noch eine Routinefrage: Was haben Sie selbst an diesem Morgen in Wilvercombe getan?«
    Mrs. Morecambe überlegte mit schiefgelegtem Kopf.
    »Ich – bin ein bißchen einkaufen gewesen, war im Wintergarten und habe im Café Oriental eine Tasse Kaffee getrunken. Nichts Besonderes.«
    »Haben Sie zufällig auch Herrenkragen gekauft?«
    »Kragen?« Mrs. Morecambe machte ein überraschtes Gesicht. »Wirklich, Inspektor, Sie scheinen meine Schritte sehr gründlich überprüft zu haben. Ich stehe doch wohl nicht unter irgendeinem bösen Verdacht?«
    »Reine Routinesache, Madam«, antwortete der Inspektor unerschüttert; er leckte seinen Bleistift an.
    »Nun, also – nein, ich habe keine Kragen gekauft ! Ich habe mir welche angesehen.«
    »So? Sie haben sich welche angesehen?«
    »Ja, aber sie hatten nicht die Sorte, die mein Mann trägt.«
    »Aha. Erinnern Sie sich an den Namen des Geschäfts?«
    »Ja – Rogers & noch was – Rogers & Peabody, glaube ich.«
    »Nun, Madam.« Der Inspektor blickte von seinem Notizbuch auf und sah sie streng an. »Würde es Sie überraschen, zu hören, daß der Verkäufer von Rogers & Peabody sagt, eine Dame, die gekleidet war wie Sie und

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