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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Wimsey riß seine Gedanken aus unendlicher Ferne zurück. »Ach ja, natürlich. Warum ist er hier? Sicher nicht, um sich in die Gunst seiner Mutter einzuschmeicheln.«
    »Warum nicht? Das ist seine Stunde. Alexis ist aus dem Weg, und er sieht seine Chance. Jetzt, wo er nichts mehr dadurch zu verlieren hat, kann er kommen und sich furchtbar verständnisvoll zeigen und bei der Aufklärung der Sache helfen und so recht den liebenden Sohn spielen.«
    »Warum will er mich dann von hier vertreiben?« »Sie?«
    »Mich.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Weldon hat sich heute abend an der Bar alle Mühe gegeben, so beleidigend wie nur möglich zu sein, ohne direkt aggressiv oder ungezogen zu werden. Er hat mir indirekt, aber unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß ich hier meine Nase in eine Sache hineinstecke, in der sie nichts zu suchen hat, und daß ich seine Mutter für meine privaten Zwekke ausbeute und mich wahrscheinlich ihres Geldes wegen an sie heranmache. Er hat mich zu der unbeschreiblichen Geschmacklosigkeit gezwungen, ihn daran erinnern zu müssen, wer ich bin und warum ich anderer Leute Geld nicht brauche.«
    »Warum haben Sie ihm keine runtergehauen?« »Die Versuchung war groß. Ich hatte das Gefühl, Sie würden mich mehr lieben, wenn ich es täte, aber in ruhigeren Stunden würden Sie sicher nicht wollen, daß ich meine Liebe über meine detektivischen Prinzipien stelle.«
    »Natürlich nicht. Aber worauf wollte er hinaus?«
    »Oh, das war völlig eindeutig. Er hat es sehr klar ausgedrückt. Er wollte mir zu verstehen geben, daß diese Detektivspielerei aufzuhören hat und Mrs. Weldon davon abzubringen ist, ihre Zeit und ihr Geld für die Jagd nach nichtexistenten Bolschewiken zu verschwenden.«
    »Das kann ich verstehen. Er möchte das Geld erben.«
    »Natürlich. Aber wenn ich hinginge und Mrs. Weldon erzählte, was er zu mir gesagt hat, würde sie ihn wahrscheinlich enterben. Und was würde ihm die ganze zur Schau gestellte Sohnesliebe dann nützen?«
    »Ich wußte doch gleich, daß er dumm ist.«
    »Er hält es offenbar für sehr wichtig, daß mit den ganzen Nachforschungen Schluß gemacht wird. Dafür nimmt er nicht nur das Risiko in Kauf, daß ich ihn bloßstelle, sondern ist sogar bereit, sich unbegrenzt lange hier herumzutreiben, nur um zu verhindern, daß seine Mutter auf eigene Faust Ermittlungen anstellt.«
    »Nun, er hat vielleicht nichts anderes zu tun.«
    »Nichts anderes zu tun? Mein liebes Kind, der Mann ist Landwirt.«
    »Und?«
    »Wir haben Juni.«
    »Und was heißt das?«
    »Wieso ist er nicht bei der Heuernte?«
    »Daran habe ich nicht gedacht.«
    »Die Wochen zwischen Heu- und Getreideernte sind im ganzen Jahr so ziemlich die letzten, die ein anständiger Bauer mit anderen Dingen verplempern würde. Ich könnte es verstehen, wenn er für einen Tag hierhergekommen wäre, aber er scheint sich hier auf Dauer einnisten zu wollen. Die Sache mit diesem Alexis ist ihm so wichtig, daß er bereit ist, alles stehen und liegen zu lassen, um hierherzukommen, an einen Ort, der ihm zuwider ist, und auf unabsehbare Zeit in einem Hotel herumzulungern, um sich mit seiner Mutter abzugeben, mit der er nie viel im Sinne hatte. Ich finde das komisch.«
    »Das ist wirklich komisch.«
    »War er schon einmal hier?«
    »Nein. Ich habe ihn das gleich bei der Begrüßung gefragt. So etwas fragt man eben. Er verneint es. Ich nehme an, er hat sich ferngehalten, solange die Sache mit Alexis im Gange war – es wäre ihm unangenehm gewesen.«
    »Und er hätte sich darauf beschränkt, aus der Ferne gegen diese Heirat anzugehen?«
    »Ja – obschon man eine Heirat so nicht besonders erfolgreich verhindern kann.«
    »Nein? Aber die Heirat wurde sehr erfolgreich verhindert.«
    »Das schon. Aber – wollen Sie Henry etwa in die Rolle des Mörders stecken?«
    »Gern. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, es geht nicht.«
    »Nein?«
    »Nein. Darum wollte ich von Ihnen wissen, ob Sie Henry für besonders gewitzt halten. Das ist nicht der Fall, und ich bin derselben Meinung. Ich traue Henry nicht den Grips zu, Paul Alexis ermordet zu haben.«

13
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Zeugnis von schwerem Verdruß

    Narr, soll deine Tugend mich beschämen und erdrücken, Mich dankbar und errötend dir zum Sklaven machen?
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    DIENSTAG, 23. JUNI
    Lord Peter Wimsey las bei Eiern mit Speck seinen Morning Star und fühlte sich so wohl wie schon seit Wochen nicht mehr. Die Zeitung hatte sich von ihrer noblen Seite gezeigt und für Informationen

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