Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
übernachten.«
»Ganz genau, Mylord.«
»Hier sind dreißig Pfund. Wenn Sie mehr brauchen, geben Sie mir Bescheid.«
»Sehr wohl, Mylord.«
»Sie werden natürlich im besten Gasthaus absteigen und Ihre Erkundigungen an der Theke einziehen.«
»Selbstverständlich, Mylord.«
»Sie werden alles über Mr. Weldon in Erfahrung bringen, was es zu erfahren gibt, vor allem, wie er finanziell dasteht und welchen Ruf er genießt.«
»Sehr wohl, Mylord.«
»Sie brechen sofort auf.«
»Sehr wohl, Mylord.«
»Dann ab mit Ihnen.«
»Sehr wohl, Mylord. Die Hemden Eurer Lordschaft befinden sich in der zweiten Schublade und die Seidensocken in der Ablage rechts im Kleiderschrank, die Krawatten unmittelbar darüber.«
»Sehr wohl, Bunter«, sagte Wimsey mechanisch.
Zehn Minuten später war Mr. Bunter, einen Koffer in der Hand, auf dem Weg zum Bahnhof.
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Das Zeugnis der Schlange
Da gibt es eine kleine Schlange, grünäugig und behaart, Mit einer Stimme wie die Nachtigall des Waldes,
Singt sie ohn ’ Unterlaß ihr traung-süßes Lied;
Sie wohnet in des Tods Gebeinen Und ist sein liebster Freund und Spielgefährte
DEATH’S JEST-BOOK
MITTWOCH, 24. JUNI
Nach dem türkischen Bad ging Miss Harriet Vane auf einen Einkaufsbummel. Es war seit ihrer Ankunft in Wilvercombe ihr zweites Unternehmen dieser Art, und beide Male waren ihre Einkäufe bestimmt von dem Wunsch, einem Mann zu gefallen. Diesmal suchte sie ein Kleid für den Nachmittag. Und warum? Sie war zu einem Picknick verabredet.
Sie hatte auch schon mit Lord Peter gepicknickt, und für ihn waren der alte Tweedrock und der abgetragene Pullover gut genug gewesen. Aber heute genügten diese Kleidungsstücke nicht. Das Picknick sollte mit Mrs. Weldon und Henry stattfinden.
Die wunderlichen Vorbehalte, die sie gegenüber Lord Peter kurz angebunden, barsch und zänkisch sein ließen, schienen sie im Umgang mit Henry Weldon nicht zu plagen. Für ihn legte sie einen Zug süßer Fraulichkeit an den Tag, der Wimsey überrascht hätte. Ihre Wahl fiel jetzt auf ein enganliegendes Kleid aus »weichem, schmiegsamem Stoff«, wie männliche Schriftsteller dazu sagen würden, mit einer die Figur betonenden Korsage und einem Rock, der sich ungestüm um ihre Fesseln wellte. Dieses ganze Erscheinungsbild steigerte sie noch mit einem viel zu großen Hut, der auf der einen Seite ihr Gesicht verdunkelte und sie an der Schulter kitzelte, während er auf der anderen Seite eine Fülle schwarzer Ringellocken sehen ließ, vom Coiffeur des Resplendent kunstvoll gerollt und gelegt. Beigefarbene Schuhe mit hohen Absätzen, reinseidene Strümpfe, bestickte Handschuhe und eine Handtasche rundeten diese verführerische, für ein Picknick außerordentlich ungeeignete Toilette ab. Dazu machte sie noch ihr Gesicht so gekonnt dezent zurecht, daß es den Eindruck erweckte, als ob eine Frau mit großer Erfahrung eine für sie unerreichbare Unschuld mime, und so geschmückt nahm sie bald darauf ihren Platz neben Henry Weldon ein, der am Steuer von Mrs. Weldons großer Limousine saß. Mrs. Weldon saß auf dem Rücksitz, einen üppig gefüllten Picknickkorb zu Füßen und eine Kiste mit erfrischenden Getränken neben sich.
Henry war sehr angetan von Miss Vanes offenkundigen Bemühungen, ihm zu gefallen, sowie von ihrer unverhohlenen Bewunderung für seine Fahrweise. Diese war von der angeberischen und unbeherrschten Art und bestand vorwiegend darin, andere Straßenbenutzer »das Fürchten zu lehren«. Harriet hatte schon selbst Autos gefahren und litt, wie alle Autofahrer, wenn sie gefahren werden, aber selbst wenn Henry eine Kurve mit achtzig Sachen viel zu weit nahm und einen Motorradfahrer in den Graben drängte, bemerkte sie dazu nur (und mit einem gewissen Wahrheitsgehalt), daß die Geschwindigkeit sie ein wenig nervös mache.
Mr. Weldon, der beim unerwarteten Anblick einer Kuhherde unmittelbar vor dem Kühler scharf bremsen mußte und beim Herunterschalten krachend die Gänge wechselte, lächelte nachsichtig.
»Wozu ist so ein verdammter Motor denn da, wenn man ihn nicht mal ordentlich hochjagt?« meinte er. »Ist ja nicht wie bei einem Pferd – kein Leben drin. Taugt nur, um einen von hier nach da zu bringen.«
Er wartete, bis die Kühe vorbei waren, dann ließ er die Kupplung derart springen, daß beinahe die Getränke auf dem Boden gelandet wären.
»Mich werden Sie nie zum Vergnügen Auto fahren sehen«, sagte Mr. Weldon. »Ich liebe frische Luft – nicht diese Kisten, in denen man
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