Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
und war zudem eine wirksame Waffe gegen Gewerkschaften. Natürlich hatte die Firma Brotherhood nicht das allermindeste gegen Gewerkschaften als solche einzuwenden. Man hatte lediglich erkannt, daß satte, zufriedene Menschen von Natur aus wenig zu gemeinschaftlichem Handeln in irgendeiner Form neigten – was ja auch die Eselsgeduld der Steuerzahler erklärt.
In Brotherhoods Brot-und-Spiele-Politik nahmen organi
sierte Sportveranstaltungen natürlich einen wichtigen Platz ein. Über dem Pavillon, von dem aus man das ganze geräumige Spielfeld überblickte, wehte eine prächtige knallrote Fahne, bestickt mit dem Firmenzeichen, zwei ineinander verschlungenen Händen. Das gleiche Emblem zierte die knallroten Blazer und Mützen der elf Brotherhood-Cricketspieler. Dagegen waren die elf Männer der Werbeagentur Pym eine mäßige Werbung für sich selbst. Mr. Bredon bildete geradezu einen leuchtenden Fleck in der Landschaft, denn seine Flanellhose war makellos, und sein etwas antiquierter Balliol-Blazer verbreitete eine Aura von Echtheit. Mr. Ingleby war ebenfalls korrekt gekleidet, wenn auch ein wenig schäbig. Mr. Hankin verdarb seine sonst tadellose Erscheinung mit einem braunen Filzhut, während Mr. Tallboy, in jeder anderen Beziehung korrekt, eine fatale Neigung zeigte, an der Taille etwas zu vertuschen, wofür zweifellos sein Schneider und Hemdenmacher gemeinsam verantwortlich zeichneten. Die Anzüge der übrigen waren verschiedene Kombinationen aus weißen Flanellhosen und braunen Schuhen, weißen Schuhen und dem falschen Hemd dazu, Tweedjacken mit weißen Leinenmützen, bis hinunter zu dem schmählichen Schauspiel, das Mr. Miller bot, der nicht einsah, warum er sich eines bloßen Spieles wegen in Schale werfen sollte, und das Auge mit einer grauen Flanellhose nebst gestreiftem Hemd und Hosenträgern beleidigte.
Der Tag begann schon schlecht, denn Mr. Tallboy hatte seinen Glücks-Shilling verloren, worauf Mr. Copley spitz bemerkte, er wolle vielleicht lieber eine Pfund-Note werfen. Das machte Mr. Tallboy nervös. Brotherhood gewann die Auslosung und beschloß, den ersten Durchgang zu bestreiten. Mr. Tallboy, immer noch nervös, baute seine Feldspieler auf, vergaß in seiner Aufregung Mr. Hankins Vorliebe für die Position Mitterechts und setzte ihn auf Halblinks ein. Bis dieser Fehler ausgebügelt war, hatte sich herausgestellt, daß Mr. Haagedorn seine Wickethüterhandschuhe vergessen hatte, und man mußte sich ein Paar vom Pavillon ausleihen. Dann stellte Mr. Tallboy fest, daß er seine beiden schnellen Werfer zusammen aufgestellt hatte. Er bereinigte dies, indem er Mr. Wedderburn vom Spielfeldrand wegholte, damit er seine «Langsamen mit Effet» werfen solle, und Mr. Barrow zugunsten von Mr. Beeseley herausnahm. Dies kränkte Mr. Barrow so, daß er sich grollend in den äußersten Winkel des Spielfelds verzog und dort offenbar ein Schläfchen halten wollte.
«Was soll diese Verzögerung?» fragte Mr. Copley.
Mr. Willis antwortete, Mr. Tallboy sei wohl ein wenig mit der Werferfolge durcheinandergeraten.
«Schlechte Organisation», sagte Mr. Copley. «Er hätte eine Liste aufstellen und sich daran halten sollen.»
Der erste Durchgang für Brotherhood verlief ziemlich ereignislos. Mr. Miller verpaßte zwei leichte Bälle, und Mr. Barrow ließ, um seine Verstimmung über seine Feldplacierung zu zeigen, einen wirklich völlig harmlosen Ball ins Aus gehen, statt ihm nachzusetzen. Der älteste Mr. Brotherhood, ein quirliger alter Herr von 75 Jahren, kam vergnügt vom Pavillon angewatschelt, um sich liebenswürdig Mr. Armstrongs anzunehmen. Er tat dies, indem er in Erinnerungen an alle großen Cricketspiele schwelgte, die er in seinem ganzen langen Leben je gesehen hatte, und da er von Kindesbeinen an diesem Spiel zugetan war und nie ein Turnier von Bedeutung verpaßt hatte, nahm das einige Zeit in Anspruch und war sehr ermüdend für Mr. Armstrong, der Cricket langweilig fand und den Spielen der Belegschaft nur mit Rücksicht auf Mr. Pyms Grillen beiwohnte. Mr. Pym, dessen Begeisterung nur noch von seiner Ahnungslosigkeit übertroffen wurde, spendete schlechten wie guten Schlägen gleichermaßen Beifall.
Schließlich ging die Brotherhood-Mannschaft mit 155
Läufen vom Platz, und die Pym-Elf kam aus allen Winkeln des Spielfelds zusammen – die Gentlemen Garrett und Barrow, beide schlecht gelaunt, um ihre Beinschoner anzulegen, die übrigen, um sich unter die Zuschauer zu mischen. Mr. Bredon, träge in seinen
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