Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
Zeigefinger auf ihn einstach, «das liegt alles an der Universitätsausbildung. Denn was tut die Universität? Sie nimmt so einen jungen Mann – oder ein junges Mädchen – und führt ihn an der Leine auf den Spielplatz, während er längst auf dem Acker der Wirklichkeit seine Furchen ziehen müßte … Hallo, Mr. Bredon! War das Ihr Fuß? Dann bitte ich um Verzeihung. Dieser Raum ist für solche Gesellschaften eben zu klein. Ich höre, Sie sind die offenen Weiten des Dachs gewöhnt.»
«O ja. Frische Luft und so weiter, Sie wissen ja. Bewegung. Neulich habe ich mit einer Schleuder auf Spatzen geschossen. Ausgezeichnetes Training fürs Auge und so. Kommen Sie doch irgendwann mal mit, dann schießen wir um die Wette.»
«Nichts für mich, vielen Dank», antwortete Mr. Harris. «Für solche Sachen bin ich zu alt. Aber ich weiß noch, wie ich als Junge mal meiner alten Tante das Glas auf dem Frühbeet kaputtgeschossen habe. O Gott, war das ein Theater!»
Mr. Harris blickte mit einemmal ganz wehmütig drein.
«Ich glaube, ich habe schon dreißig Jahre keine Schleuder mehr in der Hand gehabt», fügte er hinzu.
«Dann sollten Sie allmählich wieder anfangen.» Mr. Bredon zog augenzwinkernd eine Astgabel mit Gummibändern aus der Jackentasche und steckte sie mit einer Grimasse rasch wieder ein, denn soeben kam Mr. Pym in Sicht, der sich herablassend mit einem kürzlich neueingestellten jungen Mann unterhielt.
«Unter uns gesagt, Mr. Harris, finden Sie es hier nicht auch manchmal ein bißchen mühselig?»
«Mühselig?» mischte Mr. Tallboy sich ein, indem er sich aus dem Gedränge am Tisch befreite und Mr. Smayle dabei fast die beiden Teetassen aus der Hand stieß, die dieser endlich ergattert hatte. «Mühselig? Ihr wißt doch alle nicht, was das heißt. Nur ein Layout-Zeichner weiß, wie einem Layout-Zeichner zumute ist.»
«Sie sollten kommen und mit uns übermütig sein», riet Mr. Bredon. «Wenn die Arbeit dich schafft, schöpf neue Kraft beim Spiel der Texter auf dem Dach. Heute früh habe ich einen Star erlegt.»
«Was heißt, einen Star erlegt?»
«Vater, ich kann nicht lügen. Ich war's, mit meiner kleinen Schleuder hier. Aber wenn man ihn findet», fuhr Mr. Bredon in ernstem Ton fort, «wird man sicher die Kantinenkatze verdächtigen.»
«Ist die Katze auf dem Dach, schreit der Vogel weh und ach», dichtete Mr. Harris und sah Mr. Tallboy erwartungsvoll an, aber der schien überhaupt keinen Sinn für Poesie zu haben, denn er machte ein noch abweisenderes und mürrischeres Gesicht als sonst, worauf Mr. Harris es gleich noch einmal versuchte:
«Ist der Vogel totgemacht, gerät die Katze in Verdacht. Na, wie finden Sie das?»
«Wie, was haben Sie gesagt?» fragte Mr. Tallboy mit angestrengt gerunzelter Stirn.
«– gerät die Katze in Verdacht», wiederholte Mr. Harris.
«Kapiert?»
«Ach so, ja. Sehr gut. Haha!» sagte Mr. Tallboy.
«Ich weiß noch einen», fuhr Mr. Harris fort. «Steigt der Kater auf –»
«Schießen Sie gut mit der Schleuder, Tallboy?» fragte Bredon rasch dazwischen, als müsse er schleunigst für eine Ablenkung sorgen, bevor hier etwas explodierte.
«Dafür hab ich kein Auge.» Mr. Tallboy schüttelte bedauernd den Kopf.
«Kein Auge wofür?» erkundigte sich Miss Rossiter.
«Zum Schießen – mit der Schleuder.»
«Na, nun hören Sie aber auf, Mr. Tallboy! Sie, der große Tennismeister!»
«Das ist nicht unbedingt dasselbe», erklärte Mr. Tallboy.
«Auge ist Auge. Wer ein Auge für den Ball hat, der hat auch eins zum Zielen!»
«Im Auge Klarheit, im Herzen Wahrheit», gab Mr. Harris zum besten. «Haben Sie's schon einmal mit Pfeilwerfen versucht, Mr. Bredon?»
«Ich habe drei Jahre hintereinander den Pokal in der Kuhtränke gewonnen», erwiderte der Angesprochene stolz. «Verbunden mit dem Anrecht auf einen Eimer Freiwasser – ich meine einen Krug Freibier –, jeden Freitagabend, ein ganzes Jahr lang. Aber das war eine teure Angelegenheit, denn jedesmal, wenn ich mir mein Freibier holen ging, mußte ich einem guten Dutzend Zuschauer eins ausgeben. Ich habe mich daher aus dem Wettbewerb zurückgezogen und veranstalte nur noch Schauwerfen.»
«Ich höre hier gerade was von Pfeilwerfen.»
Mr. Daniels hatte sich herangepirscht. «Haben Sie den jungen Binns schon mal Pfeile werfen sehen? Alle Achtung, wirklich.»
«Ich hatte noch nicht das Vergnügen, Mr. Binns' Be
kanntschaft zu machen», gestand Mr. Bredon. «Es ist eine Schande, aber ich muß gestehen, daß es in
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