Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
Tallboy und Smayle bekanntmachte (was er tat, sowie er einen Zuhörer fand), die öffentliche Meinung, die im Streit Zwischen Tallboy und Copley weitgehend auf Tallboys Seite gewesen war, total umschlug. Man fand, daß Mr. Tallboy, wenn er so ungezogen gegen Mr. Smayle sein konnte, wohl auch gegenüber Copley nicht ganz unschuldig sein könne. Die Belegschaft teilte sich wie das Rote Meer und bildete Mauern zur Rechten und zur Linken. Nur Mr. Armstrong, Mr. Ingleby und Mr. Bredon, die Zyniker, hielten sich aus allem heraus, machten sich weiter keine Gedanken darüber und schürten den Krieg zu ihrem eigenen Amüsement. Sogar Miss Meteyard, die Mr. Copley verabscheute, verspürte plötzlich eine ungewohnte Aufwallung weiblichen Mitgefühls für ihn und nannte Mr. Tallboys Benehmen unerträglich. Der alte Copley, sagte sie, mochte ja ein aufdringlicher kleiner Schnüffler sein, aber er sei kein Schwein. Mr. Ingleby sagte, er könne sich nicht vorstellen, daß Tallboy das so gemeint habe, was er zu Smayle gesagt habe. Miss Meteyard antwortete: «Diesen Bären können Sie einem anderen aufbinden.» Sprach's und fand sofort, daß dieser Satz sich gut als Werbeschlagzeile für irgend etwas machen würde. Aber Mr. Ingleby sagte: «Nein, die hatten wir schon mal.»
Miss Parton war natürlich eine Anti-Copleyanerin, die nichts wanken machen konnte, und darum lächelte sie Mr. Tallboy an, als er zufällig im Schreibzimmer erschien, um sich eine Briefmarke zu borgen. Miss Rossiter dagegen, wenngleich auf den ersten Blick etwas temperamentvoller, brüstete sich mit einer ausgewogeneren Meinung. Immerhin, sagte sie fest, habe Copley die Sache mit den 50 Pfund wahrscheinlich gut gemeint, und wenn man es genau betrachte, habe er Tallboy und allen anderen, die an Nutrax arbeiteten, aus einer sehr unangenehmen Klemme gerettet. Sie finde, daß Mr. Tallboy ein bißchen zu sehr von sich eingenommen sei, und auf jeden Fall habe er kein Recht gehabt, so mit dem armen Mr. Smayle zu reden.
«Und», sagte Miss Rossiter, «seine Freundinnen gefallen mir auch nicht.»
«Freundinnen?» fragte Miss Parton.
«Na, du weißt ja, ich rede nicht gern über andere Leute», sagte Miss Rossiter, «aber wenn du einen verheirateten Mann nach Mitternacht mit einer aus einem Restaurant kommen siehst, die eindeutig nicht seine Frau ist –»
«Nein!» rief Miss Parton.
«O ja! Und aufgetakelt wie sonst was … so ein Hütchen mit Augenschleier … zehn Zentimeter hohe Absätze, mit Juwelen besetzt … so was von schlechtem Geschmack … und Netzstrümpfe und so weiter …»
«Vielleicht seine Schwester.»
«Von wegen! … Und wo seine Frau ein Kind bekommt … Er hat mich nicht gesehen … Natürlich würde ich kein Wort sagen, aber ich meine …»
So klapperten die Schreibmaschinen.
Mr. Hankin, wiewohl offiziell neutral, war ein Tallboya
ner. So genau und tüchtig er selbst war, fühlte er sich doch ständig irritiert durch Mr. Copleys Tüchtigkeit und Genauigkeit. Er argwöhnte völlig zu Recht, daß Mr. Copley die Führung der Abteilung kritisierte und selbst gern eine gewisse Autorität zugesprochen bekommen hätte. Mr. Copley hatte so eine Art, mit Vorschlägen zu ihm zu kommen: «Wäre es nicht besser, Mr. Hankin, wenn …» – «Wenn Sie mir gestatten, einen Vorschlag zu machen, Mr. Hankin, könnte man nicht eine strengere Kontrolle …?» – «Natürlich weiß ich, daß ich in einer gänzlich untergeordneten Position bin, Mr. Hankin, aber ich habe über dreißig Jahre Erfahrung in der Werbung, und meiner bescheidenen Meinung nach …» – stets hervorragende Vorschläge, die allerdings den einen Fehler hatten, daß sie entweder dazu angetan waren, Mr. Armstrong zu ärgern, oder ein hohes Maß an langweiliger und zeitraubender Aufsicht erforderten, oder die ganze eigenwillige Textabteilung in Aufruhr zu versetzen und aus dem Tritt zu bringen drohten. Mr. Hankin war es allmählich müde, zu antworten: «Ganz recht, Mr. Copley, aber Mr. Armstrong und ich finden, daß es im ganzen gesehen besser ist, so wenig wie möglich einzugreifen.» Mr. Copley hatte so eine Art, sein Verständnis dafür zu bekunden, die bei Mr. Hankin immer den Eindruck hinterließ, daß Mr. Copley ihn für schwach und unfähig hielt, ein Eindruck, den der Nutrax-Zwischenfall ihm bestätigt hatte. Als eine Lage entstanden war, in der Mr. Hankin hätte gefragt werden können und müssen, hatte Mr. Copley ihn übergangen – für Mr. Hankin ein schlüssiger Beweis, daß
Weitere Kostenlose Bücher