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Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Titel: Wimsey 09 - Mord braucht Reklame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Märchenprinzen gewann.
    Unter diesen Phantasiegestalten war Death Bredon, wenn er seine Feder über Stapel von Papier gleiten ließ, auch nur eine Phantasiegestalt, emporgehoben aus diesem Jammertal in eine noch phantastischere Welt inmitten von Menschen, deren Ambitionen, Rivalitäten und Denkweisen ihm fremd waren, und ernst wie sonst nichts, was er aus seinem wachen Leben kannte. Und wenn die Greenwich-orientierten Uhren auf halb sechs vorgerückt waren, gab es für ihn auch keine Rückkehr in die Wirklichkeit. Dann löste sich vielmehr der illusionäre Mr. Bredon in nichts auf und verwandelte sich in den erst recht illusionären Harlekin der Träume einer Rauschgiftsüchtigen, eine Reklamefigur, greller und phantastischer als alles, was durch die Spalten des Morning Star geisterte; körperlos, aberwitzig, ein bloßer Schalltrichter, der abgestandene Klischees in taube Ohren ohne Gehirn blies. Von dieser abscheulichen Rolle konnte er sich aber jetzt nicht mehr freimachen, denn beim bloßen Klang seines Namens oder beim Anblick seines unmaskierten Gesichts wären alle Tore zu dieser anderen Traumstadt – der Stadt der furchtbaren Nacht – vor ihm ins Schloß gefallen.
    Von einer bohrenden Sorge hatte Dian de Momeries Au
    genblick unerklärlicher Einsicht ihn befreit: Sie begehrte ihn nicht mehr. Eher fürchtete sie ihn wohl, doch jedesmal beim Klang seiner Penny-Flöte kam sie zu ihm und fuhr mit ihm Stunden um Stunden in dem großen schwarzen Daimler durch die Nacht, bis der neue Morgen nahte. Manchmal fragte er sich, ob sie überhaupt an seine Existenz glaubte; sie behandelte ihn, als ob er irgendeine zwar verhaßte, aber doch faszinierende Gestalt in einem Haschischtraum sei. Er fürchtete jetzt allenfalls, daß ihre unausgeglichene Phantasie sie über den Klippenrand des Selbstmordes stoßen könnte. Einmal fragte sie ihn, wer er sei und was er wolle, und er sagte ihr insoweit die nackte Wahrheit.
    «Ich bin hier, weil Victor Dean tot ist. Wenn die Welt weiß, wie er gestorben ist, gehe ich wieder dahin zurück, wo ich herkomme.»
    «Dahin zurück, wo du herkommst? Das habe ich doch schon einmal gehört, ich weiß nur nicht mehr wo.»
    «Wenn Sie je dabei waren, wie ein Mensch zum Tode verurteilt wurde, haben Sie es da gehört.»
    «Mein Gott, ja! Das war's. Ich war einmal bei einem Mordprozeß. Da war so ein furchtbarer Mann, der Richter – seinen Namen weiß ich nicht mehr. Er kam mir vor wie ein alter, bösartiger roter Papagei, und er hat das so gesagt, als wenn's ihm Spaß machte. ‹Und möge der Herr deiner Seele gnädig sein.› Haben wir eine Seele, Harlekin, oder ist das alles Unsinn? Es ist Unsinn, ja?»
    «Was Sie angeht, sehr wahrscheinlich.»
    «Aber was habe ich mit Victor Deans Tod zu tun?»
    «Hoffentlich nichts. Das müssen Sie selbst am besten wissen.»
    «Natürlich hatte ich nichts damit zu tun.»
    Und vielleicht sagte sie die Wahrheit. Das war ja das Phantastischste an der ganzen Illusion – die Grenze, wo Tagtraum und Nachttraum nebeneinander in ewigem Zwielicht einhergingen. Der Mann war ermordet worden – dessen war er jetzt sicher; aber welche Hand den Schlag geführt hatte und warum, war noch jenseits aller Vermutung. Ein Gefühl riet Bredon, sich an Dian de Momerie zu halten. Sie war der Wächter an der Schattengrenze; durch sie war Victor Dean, gewiß ein prosaischer Bewohner jener grellen Stadt des Tageslichts, eingetreten in die Welt der lodernden Fackeln und schwarzen Schlünde, deren Priester Trunk und Drogen waren und deren König Tod hieß. Aber er konnte sie ausfragen, soviel er wollte, er bekam nichts aus ihr heraus. Nur eines hatte sie ihm gesagt, und wieder und wieder ließ er sich das durch den Kopf gehen und fragte sich, wie es in die Geschichte hineinpaßte. Milligan, der finstere Milligan, wußte etwas über Pyms Werbedienst, oder über jemanden, der dort arbeitete. Er hatte es schon gewußt, bevor er Dean kennenlernte, denn bei dieser ersten Begegnung hatte er zu ihm gesagt: «Ach, Sie sind das?» Welche Verbindung bestand da? Was hatte Dean in der Werbeagentur mit Milligan zu tun gehabt, bevor Milligan ihn überhaupt kannte? War es vielleicht nur, daß Dian damit angegeben hatte, in dieser respektablen Firma einen Geliebten zu haben? War Victor Dean nur gestorben, weil Dian eine Schwäche für ihn hatte?
    Das konnte Wimsey nicht glauben; diese Schwäche war ja schon vorher gestorben, und danach war Deans Tod gewiß überflüssig gewesen. Außerdem, wenn die

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