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Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Titel: Wimsey 09 - Mord braucht Reklame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sonst recht zufriedenstellenden Universum noch etwas fehlte. Die Great Queen Street führte in den Long Acre, und abseits vom Long Acre lag Covent Garden; schon jetzt rumpelten Liefer- und Lastwagen, beladen mit Obst und Blumen, aus allen Teilen des Landes heran und rollten leer wieder fort. Lastträger luden bereits die dicken Säcke, großen Kisten, runden Körbe, zerbrechlichen Spankörbchen und länglichen Steigen ab, angefüllt mit lebendigen Düften und Farben, und schwitzten und fluchten dabei, als ob die ganze herrliche Fracht aus Fisch oder Roheisen bestände. Und zum Wohle dieser Männer waren gewiß die Kneipen geöffnet, denn Covent Garden pflegte die Londoner Polizeistundenregelung nach den Erfordernissen seiner verrückten Arbeitszeiten auszulegen. Hector Puncheon hatte eine erfolgreiche Nacht hinter sich und den Erfolg mit Würstchen und Kaffee gefeiert; aber es gab doch wohl, zum Kuckuck noch mal, zum Feiern bessere Methoden!
    Wie Hector Puncheon so beschwingt in seiner praktischen grauen Flanellhose, einer Tweedjacke und einem alten Burberry darüber durch die Straßen schlenderte, wurde ihm plötzlich bewußt, daß ihm die ganze Welt ge hörte, inklusive alles Bier am Covent Garden. Er bog in die Great Queen Street ein, brachte den halben Long Acre hinter sich, tauchte am Eingang zur U-Bahn-Station unter der Nase eines Karrengauls hindurch und wandte seine Schritte zum Markt, fröhlich um Kisten, Karren, Körbe und Strohballen herumkurvend, die den ganzen Gehweg füllten. Dann trat er, ein lustiges Liedchen summend, durch die Schwingtür in den Weißen Schwan.
    Obwohl es erst Viertel nach vier war, herrschte hier schon Hochbetrieb. Hector Puncheon zwängte sich zwischen zwei riesenhaften Fuhrmännern an die Bar und wartete bescheiden, bis der Wirt seine Stammkunden bedient hatte und sich ihm zuwandte. Es wurde gerade lebhaft über die Verdienste eines Hundes namens «Kugelblitz» diskutiert. Hector, stets bereit, alles aufzuschnappen, was eine Zeitungsmeldung hergab oder zu einer gemacht werden konnte, zog seinen Morning Star aus der Tasche und stellte sich lesend, während er die Ohren spitzte.
    «Und ich sag», erklärte Fuhrmann Nummer eins, «–noch mal dasselbe, Joe – und ich sag, wenn ein Hund, der so hochgezüchtet ist wie der, nach der halben Bahn plötzlich stehenbleibt wie abgeschossen, sag ich, dann würd ich gern mal wissen, was dahintersteckt.»
    «Tja», sagte Fuhrmann Nummer zwei.
    «Wohlgemerkt», sprach Fuhrmann Nummer eins weiter, «ich sag nicht, daß man sich auf Tiere immer verlassen kann. Die haben auch mal ihren schlechten Tag, genau wie du und ich, aber ich sag –»
    «Das stimmt», mischte sich ein kleinerer Mann ein, der auf der anderen Seite neben Fuhrmann zwei stand, «das kann man wohl sagen. Und was die manchmal für Mucken haben! Ich hab mal 'nen Hund gehabt, der konnte keine Ziegen sehen. Oder vielleicht nicht riechen. Weiß ich nicht. Aber immer, wenn er 'ne Ziege sah, fing er zu zittern an. Konnte den ganzen Tag nicht mehr rennen. Ich weiß noch, einmal, da fuhr ich gerade mit ihm zum White City-Rennen, und da führte einer zwei Ziegen am Seil auf der Straße lang –»
    «Was will einer mit zwei Ziegen?» fragte Fuhrmann zwei argwöhnisch.
    «Woher soll ich wissen, was er damit wollte?» versetzte der kleine Mann entrüstet. «Waren doch nicht meine Ziegen, oder? Na ja, jedenfalls, der Hund –»
    «Das ist was anderes», sagte der Fuhrmann eins. «Nerven sind Nerven, und so was wie 'ne Ziege kann jedem passieren, aber was ich sage –»
    «Was wünschen Sie, Sir?» erkundigte sich der Wirt.
    «Ach, ich werde mal ein Guinness trinken», sagte Hector.
    «Guinness tut gut – besonders am frischen Morgen. Vielleicht», fügte er hinzu, weil er mit sich und der Welt so zufrieden war, «möchten die Herrschaften mir Gesellschaft leisten.»
    Die beiden Fuhrmänner und der kleine Mann drückten ihre Dankbarkeit aus und bestellten Bier.
    «Ist schon eine komische Sache, das mit den Nerven», sagte der kleine Mann. «Und da gerade von Guinness die Rede ist, eine alte Tante von mir, die hatte mal 'nen Papagei. Das war vielleicht ein Vogel! Bei einem Seemann hatte er reden gelernt. Zum Glück hat die Alte die Hälfte von dem nicht gehört, was er gesagt hat, und die andere Hälfte hat sie nicht verstanden. Also, und der Vogel –»
    «Sie scheinen reiche Erfahrung mit dem lieben Vieh zu haben», bemerkte Hector Puncheon.
    «O ja, die hab ich», antwortete der Kleine.

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