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Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Titel: Wimsey 09 - Mord braucht Reklame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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flatterte nach allen Seiten davon.
    «Verdammich», sagte der Herr im Smoking, «will sagen, verdammt.» Hector bückte sich, um die heruntergefallenen Sachen aufzuheben, aber der kleine Mann war ihm zuvorgekommen.
    «Danke, danke», sagte der Herr. «Wo isch die Karte? Nein, das isch nisch die Karte, das isch die Einkaufslischte von meiner Frau – ham Sie 'ne Frau?»
    «Noch nicht», gestand Hector.
    «Glückschpiltsch», stellte der Fremde mit Entschiedenheit fest. «Keine Frau, keine blöde Einkaufschlischte.» Seine unstete Aufmerksamkeit blieb von der Einkaufsliste gefangen, die er mit einer Hand hochhielt und mit zusammengekniffenen Augen vergebens zu entziffern versuchte. «Musch immerschu Päckschen mit nach Hause bringen wie 'n Laufjunge. Wo hab isch jetscht mein Päckschen?»
    «Sie hatten kein Päckchen, wie Sie reinkamen, Chef», sagte Fuhrmann eins. Die Frage der Getränke schien auf die lange Bank geschoben, und der ehrbare Mann fand es zweifellos an der Zeit, den Herrn daran zu erinnern, daß noch andere in der Schenke waren, nicht nur der abstinente Mr. Puncheon. «Trockene Arbeit», sagte er, «immerzu Pakete rumfahren zu müssen.»
    «Trocken, jawohl», bestätigte der verheiratete Herr. «Für mich 'n Scotch-Soda. Wasch hascht du noch gesagt, wasch du trinken willscht, Kumpel?» Von neuem umarmte er Hector Puncheon, der sich sanft befreite.
    «Ich möchte wirklich nicht –» begann er, doch als er sah, daß die wiederholte Weigerung übelgenommen werden könnte, gab er nach und bestellte ein kleines Bitter.
    «Aber von wegen Papageien», sagte eine dünne Stimme hinter ihnen. Hector fuhr zusammen, und als er sich umschaute, sah er einen vertrockneten alten Mann an einem Tischchen in einer Ecke der Schenke sitzen und einen Gin-Tonic schlürfen. Er muß schon die ganze Zeit da sitzen, dachte Hector.
    Der Herr im Smoking warf sich so heftig nach ihm herum, daß er das Gleichgewicht verlor und sich an dem kleinen Mann festhalten mußte, um nicht hinzufallen.
    «Ich habe nie von Papageien gesprochen», sagte er mit
    plötzlich sehr deutlicher Aussprache. «Es würde mir nicht im Traum einfallen, von Papageien zu sprechen.»
    «Ich hab mal 'nen Pfarrer gekannt, der 'nen Papagei hatte», fuhr der Alte fort. «Joey hieß er.»
    «Wer, der Pfarrer?» fragte der Kleine.
    «Nein, der Papagei», sagte der Alte nachsichtig, «und der Papagei war noch nie weggewesen von der Pfarrersfamilie. Hat immer mitgebetet, hat er, und ‹Amen› gesagt wie ein richtiger Christenmensch. Ja, und eines Tages sieht der Pfarrer –»
    Ein Andrang von Gästen, die vom Markt kamen, lenkte die Aufmerksamkeit des Wirtes ab und ertränkte die nächsten ein, zwei Sätze der Geschichte. Der Fuhrmann begrüßte ein paar Bekannte und schloß sich ihnen zu einer neuen Runde Bier an. Hector schüttelte den beschwipsten Herrn ab, der ihn soeben einzuladen schien, mit ihm zu einer gemütlichen kleinen Angelpartie nach Schottland zu fahren, und wollte gehen, sah sich aber von dem alten Mann dabei ertappt und zurückgehalten.
    «– und da sieht der alte Pfarrer den Bischof vor dem Käfig sitzen, mit 'nem Stückchen Zucker in der Hand, und hört ihn sagen: ‹Los, Joey, sag's schon! Sch … sch … sch …!› Und wohlgemerkt», sagte der Alte, «das war 'n anglikanischer Bischof! Und was meinen Sie, was der Bischof dann gemacht hat, he?»
    «Ich habe keine Ahnung», sagte Hector.
    «Den Pfarrer hat er zum Kanonikus gemacht», endete der Alte triumphierend.
    «Im Leben nicht!» rief Hector.
    «Aber das ist noch gar nichts», fuhr der Alte fort. «Da hab ich doch mal einen Papagei unten in Somerset gekannt –»
    Hector glaubte die Geschichte von dem Papagei unten in Somerset nicht auch noch ertragen zu können. Er zog sich höflich zurück und floh.
    Als nächstes ging er nach Hause und nahm ein Bad, wonach er sich ins Bett kuschelte und bis zur gewohnten Frühstückszeit um neun Uhr selig schlief.
    Er frühstückte im Morgenrock, und erst als er seine Siebensachen aus dem grauen Flanell in den marineblauen Straßenanzug umräumte, stieß er auf das kleine Päckchen. Es war in weißes Papier gewickelt und mit Siegellack verschlossen und trug die unschuldige Aufschrift: «Natriumbikarbonat.» Überrascht starrte er es an.
    Hector Puncheon war ein junger Mann mit einer robusten, gesunden Verdauung. Er hatte natürlich schon von Natron und seiner wohltätigen Wirkung gehört, aber nur so, wie ein reicher Mann schon einmal etwas von Mietkauf

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