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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Augenblick ziellos in der Luft herum und fiel dann herab.
    »Ich hatte Angst, es würde Sie schockieren«, sagte Wetherall, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Ich selbst habe mich natürlich daran gewöhnt, und es macht mir nicht mehr soviel aus wie einem Außenstehenden. Nicht daß Sie ein Außenstehender wären – ganz im Gegenteil – wie? Vorzeitige Senilität ist der Laienausdruck dafür, soviel ich weiß. Erschreckend, gewiß, wenn man es noch nie gesehen hat. Übrigens können Sie völlig ungehemmt reden. Sie versteht nichts.«
    »Wie ist das gekommen?«
    »Ich weiß es nicht genau. Es kam allmählich. Ich habe natürlich die besten Ärzte zu Rate gezogen, aber es war nichts zu machen. Also sind wir hierhergekommen. Zu Hause, wo alle Welt uns kannte, hätte ich das nicht ertragen können. Und mit dem Gedanken an ein Sanatorium konnte ich mich auch nicht anfreunden. Alice ist meine Frau – in guten wie in schlechten Tagen und so weiter. Kommen Sie, das Essen wird kalt.«
    Er führte seine Frau, deren trübe Augen beim Anblick des Essens ein wenig Glanz zu bekommen schienen, an den Tisch.
    »Setz dich, Liebes, und iß dein schönes Abendessen. (Sehen Sie, das versteht sie.) Stören Sie sich bitte nicht an ihren Tischmanieren. Die sind nicht schön, aber man gewöhnt sich daran.«
    Er band dem Wesen eine Serviette um den Hals und stellte ihm das Essen in einer tiefen Schale hin. Die Frau schnappte gierig danach und sabberte und prustete, während sie es mit den Fingern herausfischte und sich Gesicht und Hände mit der Soße beschmierte.
    Wetherall zog für seinen Gast einen Stuhl gegenüber seiner Frau unter dem Tisch hervor. Ihr Anblick hielt Langley mit der Faszination des Ekels gefangen.
    Das Essen – eine Art Wildragout – war köstlich, aber Langley hatte keinen Appetit. Das Ganze war eine Ungeheuerlichkeit, sowohl gegenüber der bejammernswerten Frau wie gegen ihn selbst. Sie saß unter dem SargentPorträt, und sein Blick wanderte hilflos vom einen zum andern.
    »Ja, ja«, sagte Wetherall, seinem Blick folgend. »Das ist schon ein Unterschied, was?« Er selbst aß mit herzhaftem Appetit und schien das Mahl zu genießen. »Die Natur spielt uns mitunter üble Streiche.«
    »Ist das immer so?«
    »Nein, heute hat sie einen ganz schlimmen Tag. Manchmal ist sie – fast menschlich. Natürlich wissen die Leute hier nicht, was sie davon halten sollen. Sie haben ihre eigene Erklärung für ein recht simples medizinisches Phänomen.«
    »Besteht irgendwelche Hoffnung auf Heilung?«
    »Leider nein – nicht auf dauerhafte Heilung. Sie essen ja gar nichts.«
    »Ich – wissen Sie, Wetherall, das ist eben doch ein Schock für mich.«
    »Natürlich. Versuchen Sie mal einen Schluck Burgunder. Ich hätte Sie doch nicht herbitten sollen, aber der Gedanke, wieder einmal mit einem gebildeten Mitmenschen sprechen zu können, war, wie ich gestehen muß, eine Versuchung für mich.«
    »Es muß entsetzlich für Sie sein.«
    »Ich habe mich abgefunden. Na, das ist aber ungezogen!« Die Schwachsinnige hatte den halben Inhalt ihrer Schüssel auf den Tisch geleert. Wetherall behob das Malheur geduldig und fuhr fort:
    »Ich ertrage es besser hier in dieser Wildnis, wo alles möglich und nichts unnatürlich erscheint. Meine Angehörigen sind alle tot, also hinderte mich nichts, ganz zu tun, was mir beliebte.«
    »Nein. Und was ist mit Ihren Besitztümern in den Staaten?«
    »Ach, hin und wieder fahre ich mal rüber und kümmere mich darum. Nächsten Monat muß ich auch wieder hin. Freut mich, daß Sie mich noch angetroffen haben. Drüben weiß natürlich niemand, wie es hier um uns steht. Man weiß nur, daß wir in Europa leben.«
    »Haben Sie keinen amerikanischen Arzt konsultiert?«
    »Nein. Als sich die ersten Symptome zeigten, waren wir in Paris. Das war kurz, nach dem Sie uns dort besucht haben.« Irgendeine kurze Regung, der Langley keinen Namen zu geben vermocht hätte, verdunkelte für eine Sekunde die Augen des Arztes. »Die besten Ärzte diesseits des Ozeans bestätigten meine Diagnose. Deshalb sind wir hierhergekommen.«
    Er läutete nach Martha, die das Wildragout abtrug und eine Süßspeise auftischte.
    »Martha ist meine rechte Hand«, bemerkte Wetherall.
    »Ich wüßte nicht, was wir ohne sie tun sollten. Wenn ich fort bin, kümmert sie sich um Alice wie eine Mutter. Gewiß kann man nicht viel für sie tun – man kann sie nur füttern und warm und sauber halten – und letzteres ist gar nicht so einfach.«
    In

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