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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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seiner Stimme schwang ein Ton mit, der Langley weh tat. Wetherall sah ihn zusammenzucken und meinte:
    »Ich will Ihnen nicht verhehlen, daß es mir manchmal auf die Nerven geht. Aber dem kann man nicht abhelfen. Nun erzählen Sie mal von sich. Was treiben denn Sie so in letzter Zeit?«
    Langley erzählte so angeregt, wie es ihm eben möglich war, und sie sprachen eine Weile über neutrale Themen, bis das beklagenswerte Wesen, das einmal Alice Wetherall gewesen war, unruhig zu murren und zu wimmern begann und von seinem Stuhl klettern wollte.
    »Ihr ist kalt«, sagte Wetherall. »Geh wieder ans Feuer, Liebes.«
    Er bugsierte sie rasch an den Kamin zurück, und sie sank in den Sessel, kauerte sich wehklagend zusammen und streckte die Hände der Glut entgegen. Wetherall holte Kognak und ein Kistchen Zigarren.
    »Ich bemühe mich, ein bißchen mit der Welt in Verbindung zu bleiben«, sagte er. »Man schickt mir das hier aus London. Und ich bekomme die neuesten medizinischen Fachzeitschriften und Berichte. Ich schreibe nämlich ein Buch – über mein ganz spezielles Thema; ich vegetiere also nicht nur so dahin. Experimentieren kann ich auch – hier ist ja viel Platz für ein Labor, und man braucht sich um keine Vivisektionsgesetze zu kümmern. In diesem Land läßt sich gut arbeiten. Bleiben Sie übrigens lange hier?«
    »Nicht sehr lange, glaube ich.«
    »Oh! Wenn Sie nämlich vorgehabt hätten, länger zu bleiben, hätte ich Ihnen gern für die Zeit meiner Abwesenheit dieses Haus angeboten. Es wäre viel bequemer für Sie als die posada, und ich hätte auch keine Bedenken gehabt, Sie hier mit meiner Frau alleinzulassen – unter den gegebenen Umständen.«
    Er sagte die letzten Worte mit besonderem Nachdruck und lachte dabei. Langley wußte kaum, was er dazu sagen sollte.
    »Wirklich, Wetherall –!«
    »Obwohl diese Vorstellung ja in früheren Zeiten Ihnen mehr und mir weniger gefallen hätte. Es gab doch einmal eine Zeit, Langley, da wären Sie auf die Idee gleich angesprungen, allein mit ihr im Haus zu sein – mit meiner Frau .«
    Langley sprang auf.
    »Was zum Teufel wollen Sie damit sagen, Wetherall?«
    »O nichts. Ich mußte nur an den Nachmittag denken, als Sie beim Picknick mit ihr fortgegangen sind und sich verlaufen haben. Erinnern Sie sich? Ja? Das dachte ich mir.«
    »Das ist ungeheuerlich!« versetzte Langley. »Was fällt Ihnen ein, so etwas zu sagen – wo diese arme Seele dort hinten sitzt und –«
    »Ja, die arme Seele. Du bist jetzt schon ein armseliger Anblick, nicht wahr, mein Kätzchen?«
    Er wandte sich ganz unvermittelt der Frau zu. Etwas in seiner abrupten Gebärde schien sie zu erschrecken, so daß sie zurückzuckte.
    »Sie Teufel!« schrie Langley. »Sie hat Angst vor Ihnen. Was haben Sie mit ihr gemacht? Wie ist sie in diesen Zustand gekommen? Ich will es wissen!«
    »Sachte«, sagte Wetherall. »Ihre natürliche Erregung darüber, sie hier so anzutreffen, kann ich Ihnen nachsehen, aber ich kann Ihnen nicht gestatten, zwischen mich und meine Frau zu kommen. Was sind Sie doch für ein treuer Freund, Langley! Ich glaube, Sie möchten sie selbst jetzt noch haben – genau wie damals, als Sie mich für taub und blind hielten. Na, wie ist es, Langley, steht Ihnen noch immer der Sinn nach meiner Frau ? Möchten Sie sie küssen, sie liebkosen, mit ihr ins Bett gehen – mit meiner schönen Frau ?«
    Die rote Wut blendete Langley. Er schoß eine ungeübte Faust nach dem höhnischen Gesicht ab. Wetherall packte seinen Arm, und er riß sich los. Panik erfaßte ihn. Fliehend taumelte er gegen die Möbel und rannte aus dem Haus. Und während er fortlief, hörte er Wetherall ganz leise lachen.
    Der Zug nach Paris war überfüllt. Langley, der im letzten Moment noch aufgesprungen war, sah sich auf den Gang verbannt. Er setzte sich auf einen Koffer und versuchte nachzudenken. Während seiner wilden Flucht war er nicht imstande gewesen, seine Gedanken zu sammeln. Selbst jetzt wußte er nicht einmal genau, wovor er eigentlich geflohen war. Er grub den Kopf in die Hände.
    »Entschuldigen Sie«, sagte eine höfliche Stimme.
    Langley sah auf. Ein blonder Mann im grauen Anzug blickte durch ein Monokel auf ihn herab.
    »Tut mir furchtbar leid, Sie zu stören«, fuhr der Blonde fort. »Bin nur gerade wieder unterwegs zum heimischen Zwinger. Schreckliches Gedränge, wie? Kann nicht sagen, wann ich meine Mitmenschen jemals mehr gehaßt hätte. Ich muß schon sagen, Sie sehen nicht übertrieben wohl aus. Möchten

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