Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Köchin schwört, das gesehen zu haben. Er hat sie mit Leitungswasser gespült und dann mit einem Tropfen Kognak ausgeschwenkt.«
»Wie sich’s gehört«, sagte Mr. Egg beifällig.
»Und der Kognak war auch einwandfrei, denn Craven hat hinterher selbst ein Glas davon getrunken – gegen sein Herzklopfen, wie er sagt.« Der Inspektor sog bedeutungsvoll die Luft durch die Nase ein. »Das Glas wurde von James ausgewischt, bevor er es aufs Tablett stellte, dann wurde alles zusammen ins Arbeitszimmer gebracht. Nichts wurde irgendwann einmal abgestellt oder auf dem Weg zwischen Anrichtezimmer und Arbeitszimmer auch nur einen Moment aus den Augen gelassen, aber Craven erinnert sich, daß Miss Waynfleet ihn, als er durch die Diele ging, kurz angehalten und mit ihm über irgendwelche Anordnungen für den nächsten Tag gesprochen hat.«
»Miss Waynfleet? Das ist doch die Nichte, ja? Ich habe sie bei meinem letzten Besuch kennengelernt. Eine bezaubernde junge Dame.«
»Lord Borrodales Erbin«, ergänzte der Inspektor bedeutungsvoll.
»Eine sehr nette junge Dame«, betonte Mr. Egg. »Und wenn ich Sie richtig verstanden habe, trug Craven nur die Wiege mit dem Portwein, nicht aber die Karaffe oder das Glas?«
»So ist es.«
»Nun, dann wüßte ich nicht, wie sie etwas in die Gefäße hätte tun können, die James trug.« Mr. Egg legte eine Kunstpause ein. »Jetzt zu dem Siegel auf dem Korken – Sie sagten, Lord Borrodale habe es gesehen?«
»Ja, und Craven und James ebenfalls. Sie können es sich selbst ansehen, wenn Sie wollen – oder was noch davon übrig ist.«
Der Inspektor zog einen Aschenbecher vor, in dem sich ein paar Stückchen dunkelblauen Siegellacks nebst einer geringen Menge Zigarrenasche befanden. Mr. Egg untersuchte sie eingehend.
»Das ist unser Wachs und unser Siegel«, erklärte er. »Der obere Teil des Korkens wurde mit einem scharfen Messer sauber abgetrennt, und die Prägung ist noch intakt. ›Plummet & Rose. Dow 1908.‹ Soweit alles in Ordnung. Was ist mit dem Seiher?«
»Am Nachmittag noch vom Küchenmädchen in kochendem Wasser ausgewaschen. Unmittelbar vor Gebrauch noch einmal ausgewischt von James und dann zusammen mit Karaffe und Glas auf dem Tablett ins Zimmer getragen. Mit der Flasche wieder herausgebracht und sofort ausgespült – leider, sonst könnte er uns natürlich Auskunft darüber geben, wann das Nikotin in den Portwein gekommen ist.«
»Also«, sagte Mr. Egg entschieden, »bei uns ist es jedenfalls nicht hineingekommen. Zudem glaube ich nicht einmal, daß es überhaupt in der Flasche war. Wie denn auch? Wo ist die Flasche übrigens?«
»Sie wurde eben eingepackt, um an den Gerichtschemiker geschickt zu werden, glaube ich«, sagte der Inspektor.
»Aber da Sie einmal hier sind, ist es vielleicht besser, Sie schauen sie sich einmal kurz an. Podgers, geben Sie uns noch einmal die Flasche. Fingerabdrücke sind übrigens keine darauf, außer denen von Craven, also wurde anscheinend nichts daran manipuliert.«
Der Polizist griff nach einem braunen Päckchen, aus dem er eine Portweinflasche nahm, die mit einem frischen Korken verschlossen war. Teilweise befand sich noch der Kellerstaub darauf, vermischt mit dem Pulver für die Fingerabdrücke. Mr. Egg zog den Korken heraus und schnupperte ausgiebig am Inhalt. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck.
»Woher haben Sie diese Flasche?« fragte er scharf.
»Von Craven. Natürlich war sie mit das erste, was wir sehen wollten. Er hat uns in den Keller geführt und sie uns gezeigt.«
»Stand die Flasche für sich allein oder irgendwo mit anderen zusammen?«
»Sie stand auf dem Kellerboden am Ende einer langen Reihe leerer Flaschen, die alle zur selben Kiste gehörten; er hat uns erklärt, daß er sie immer in der Reihenfolge des Verbrauchs auf den Boden stellt, bis sie irgendwann wieder abgeholt werden.«
Mr. Egg neigte bedächtig die Flasche; ein paar Tropfen der dicken roten Flüssigkeit, getrübt von aufgeschütteltem Bodensatz, perlten in das vor ihm stehende Weinglas. Er roch daran und kostete davon. Seine Stupsnase wirkte kampflustig.
»Nun?« fragte der Inspektor.
»Da ist jedenfalls kein Nikotin drin«, sagte Mr. Egg, »sofern mich meine Nase nicht trügt, was aber wenig wahrscheinlich ist, wie Sie verstehen werden, Inspektor, denn meine Nase ist gewissermaßen mein Lebensunterhalt. Nein. Sie müssen sie natürlich zur Untersuchung schicken, das verstehe ich; aber ich wäre bereit, ein kleines Vermögen darauf zu
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